SOZIALBERICHT: Alte sind gar nicht so arm dran
Erstmals hat das Amt für Statistik die EU-Armutsindikatoren auf Bezirksebene ausgewertet: Rentner stehen im Vergleich zu anderen Berlinern besser da als gedacht
Zumindest in Sachen Altersarmut sei "die Lage für Berlin entspannt". Das berichtete Peter Lohauß vom Amt für Statistik Berlin-Brandenburg am Donnerstag. Bei der Vorstellung des Regionalen Sozialberichts gab es ansonsten wenig Positives zu berichten: Am unteren Ende der Einkommenspyramide "wird die Lage nicht besser - obwohl die Arbeitslosenquote sinkt und trotz aller Maßnahmen des Senats", so Lohauß.
Es war das erste Mal, dass die Statistiker die Sozialindikatoren der Europäischen Union auf die Hauptstadtregion und jeden einzelnen Bezirk runterbrachen. Die jüngsten ausgewerteten Zahlen stammen aus 2010. Demnach befindet sich jeder siebte Berliner an der Schwelle zur Armut. Bei den 18- bis 24-Jährigen ist es sogar jeder Vierte. Als von Armut bedroht gilt, wer weniger als 60 Prozent des durchschnittlichen Nettoeinkommens einer Region verdient. In Berlin liegt diese Schwelle für Einpersonenhaushalte bei 766 Euro.
Auf Bezirksebene hat sich Neukölln an die Spitze gesetzt. Jeder Fünfte lebt hier unter der Armutsgefährdungsgrenze. Knapp ein Drittel sind von Arbeitslosengeld II, Grundsicherung im Alter, Asylbewerberleistungen oder ähnlichen Sozialleistungen abhängig. Die wenigsten materiell armen Menschen leben laut Sozialbericht in Steglitz-Zehlendorf.
Bei den Berlinern über 65 ist die Armutgefährdungsquote seit 1996 um fast die Hälfte auf 5,8 Prozent gesunken. Deutschlandweit sind es 14,2 Prozent. In nahezu allen Bezirken haben die Rentner im Durchschnitt mehr Geld zur Verfügung als der Durchschnitt der unter 65-Jährigen. Besonders groß sind die Unterschiede in Neukölln, Spandau und Mitte.
Das dürfte nach Aussagen der Statistiker vor allem daran liegen, dass die Jüngeren in diesen Bezirken so wenig verdienen. "Das große Problem sind die schlecht ausgebildeten jungen Erwachsenen", leitet Lohauß aus den Zahlen ab. Von den niedrigqualifizierten Berlinern ohne Abitur und Berufsausbildung ist jeder Dritte von Armut bedroht.
Ganz anders sieht die Situation im Berliner Speckgürtel aus. Vor allem in den Kreisen Havelland, Potsdam-Mittelmark, Oberhavel, Barnim und Oder-Spree verdienen die unter 65-Jährigen mehr als die Rentner. Der Anteil der Niedrigqualifizierten ist in Brandenburg mit 10 Prozent deutlich niedriger als in Berlin mit knapp 17 Prozent.
Die "Wohnarmut" steigt sowohl in Berlin als auch Brandenburg. Demnach hat rund jeder zehnte Bewohner der Hauptstadtregion weniger als die Hälfte des durchschnittlichen Pro-Kopf-Wohnraums von 42 Quadratmetern zur Verfügung.
So dramatisch die Situation für die Menschen an der Schwelle zur Armut auch bleibt - zumindest die sogenannte strenge Armut ist in den vergangenen Jahren seltener geworden. Als streng arm gilt, wer weniger als 40 Prozent des durchschnittlichen Einkommens verdient. In Berlin sind das 510 Euro im Monat für einen Einpersonenhaushalt. 2010 lebten 1,2 Prozent der Bevölkerung unter diesen Bedingungen. 1996 lag die Quote viermal höher. "Das zeigt, dass die Mindestsicherung durch den Staat greift", sagt Statistiker Lohauß.
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