SOUND & SIGNALSTÖRUNG : Im Ruhebereich
Nils Schuhmacher
Von der britischen Anarcho-Punk-Band Active Minds ist bekannt, dass sie lange Jahre mit der Bahn auf Tournee ging. Das war gut für die CO2-Bilanz, für die Nerven sowieso. Während man dort Ruhe tankte, konnte hier – auf der Bühne – umso erfrischter in Lärm investiert werden. Jetzt gerade kriegt man in der Bahn natürlich so einiges zu hören, positiv wäre daran vielleicht, dass sich daraus schöne Texte machen ließen, die – mal ganz allgemein gesagt – den Zustand der Gesellschaft kritisch thematisierten. Künstler müsste man sein.
Lee Noble und Sarah Lipstate zum Beispiel. Die hätten auch die Active Minds sicher gern mit im Zugabteil gehabt. Noble hat seine letztjährige Tour durch Europa biertrinkenderweise, aus dem Fenster schauend und in schmuddeligen Klamotten im Zug absolviert und resümierte später: „It was fun. I was very tired.“ Lipstate verzichtet in ihrem Soloprojekt auf jede Art von Wortbeitrag, und wenn man sie so hört, kommt auch nicht unbedingt als erstes der Gedanke auf, dass sie ansonsten als Quasselstrippe unterwegs ist.
Sitzt Lee Noble gerade nicht in der Bahn, beschäftigt sich der in Los Angeles ansässige „Multiinstrumentalist“ damit, eine abgeschabte Klampfe, analoge Synthies, Tonband- und weiteres Gerät akustisch miteinander zu verschrauben. Heraus kommen äußerst zurückhaltende, warm knarzend verhuschte Soundgebilde, die manchmal als Song durchgehen, dann wieder als angenehme Kulisse für ein Warm-up in der Hörbar.
Wenn, wiederum, Sarah Lispate nicht gerade bei Parts & Labor – abgewickelt – oder Cold Cave mitspielt, vielleicht auch einen Film erstellt, schultert sie unter dem Namen Noveller eine doppelhalsige Gitarre und schließt ein Ringmodulator-Pedal an. Dann wächst, in ausgeprägtes Schweigen hinein, eine Landschaft aus Loops, Rückkopplungen und sanften Ambient-Flächen. Da kann man gegen die Bahn sagen, was man will: Das ist auch im Ruhebereich gut zu ertragen (mit Nika Son: Mi, 12. 11., 20 Uhr, Westwerk).