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Archiv-Artikel

SONDERGERICHTE GEGEN DJINDJIĆ’ MÖRDER SIND MOMENTAN NOTWENDIG Serbien braucht lange Prozesse

Beim Vorschlag, in Serbien Sondergerichte einzusetzen, sträuben sich zunächst einmal die Nackenhaare. Allein schon das Wort „Sondergericht“ klingt nach Schauprozessen und Erschießungskommandos. Es klingt nach Abrechnung und Rache.

Doch was nun in Serbien mit den des Mordes an Zoran Djindjić Verdächtigen geschehen soll, hat wenig mit diesen Assoziationen zu tun. Es muss der aus dem Reformlager stammenden politischen Führung jetzt darum gehen, so schnell wie möglich zu handeln, um die kriminelle und mit dem Staatsapparat verbundene Szene auszuschalten. Davon hängt nicht nur ihr politisches Überleben ab.

Solange aber im Staatsapparat und der Justiz die bösen Geister der Vergangenheit wirken und solange diese in der Lage sind, Kriminelle zu decken, die ihrerseits alles versuchen, aufrechte Leute zu bedrohen, um rechtsstaatliche Verhältnisse zu verhindern – so lange wird Serbien nicht zur Ruhe kommen. Die harte Gangart den rechtsradikalen und kriminellen Kräften gegenüber eröffnet erst die Chance, den Staatsapparat zu durchforsten und auf rechtsstaatliche Prinzipien zu verpflichten. Die politische Führung muss jetzt zeigen, dass sie gegenüber diesem politisch-kriminellen Komplex Herr im Hause ist.

Die Fahndungserfolge sind erstaunlich: Die populäre Ikone des Nationalismus, die Sängerin Ceca, wurde inmitten ihres Waffenlagers verhaftet. Ehemalige, mit dem Schwarzhandel und dem Verbrechen liierte Geheimdienstchefs sind in den Knast gewandert, und Staatsanwälte mussten zurücktreten. Es sind also ernsthafte Schritte unternommen worden, um der Lage Herr zu werden. Da der bisherigen Justiz nicht zu trauen ist, muss mit Sondergerichten vorgegangen werden. Sicherlich, die „Revolution“, die jetzt gerade abläuft, muss sich darauf besinnen, dass sich die Keime der neuen Gesellschaft schon in der alten zeigen müssen. Die Mörder müssen einen fairen Prozess erhalten, der öffentlich ablaufen muss. Die Zeiten im alten Serbien, in denen Menschen wie Djindjić von seinen Mördern der kurze Prozess gemacht wurde, sind hoffentlich vorbei. ERICH RATHFELDER