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Archiv-Artikel

SELBSTBESTIMMUNG AM LEBENSENDE – ETHIKRAT ERLEICHTERT DIE DEBATTE Neue Begriffe für die Patientenverfügung

Wenn wir uns in der Sache nicht einig werden können, ändern wir wenigstens die Begriffe. Weil wir nicht wissen, wer über das Wann und Wie des Todes eines unheilbar Kranken entscheiden soll, benennen wir die Verfahren um: „Aktive Sterbehilfe“ wird „Tötung auf Verlangen“. „Passive Sterbehilfe“ wird „Sterbenlassen“. „Indirekte Sterbehilfe“ wird „Therapie am Lebensende“.

Diese Stellungnahme des Nationalen Ethikrats zur Sterbebegleitung sieht auf den ersten Blick aus wie eine blanke Ausflucht. Das Gremium, das seit 2001 den Kanzler in ethischen Fragen beraten sollte und bald als Deutscher Ethikrat mit verändertem Personal wiedererstehen soll, bleibt bis zum Schluss gespalten darüber, welche Art Selbstbestimmung am Lebensende möglich sein soll – und möglich sein kann. Unvereinbar stehen sich das Recht des Einzelnen auf einen eigenen Tod und die Vermutung gegenüber, dass sich dahinter der massenhafte Missbrauch von Tötungserlaubnissen verbergen wird sowie für die Ärzte die unzumutbare Verpflichtung zu töten.

Doch möglicherweise kann es in keinem noch so hochrangig besetzten Gremium hierzu Einigkeit geben. Auch der künftige Ethikrat wird sich an denselben Fragen aufreiben. Wenn Justizministerin Brigitte Zypries 2007 den geplanten nächsten Anlauf macht, die Patientenverfügung per Gesetz zu stärken, wird auch der Bundestag wieder davor stehen: Sind Wachkoma-Patienten Sterbende, die man sterben lassen sollte? Wie bringt man die Bürger dazu, in einer Patientenverfügung aufzuschreiben, welche Behandlung sie für den Fall des Bewusstseinsverlusts wünschen – und sind alle medizinischen Zweifelsfälle so vorab zu klären?

Bislang aber wurde die Diskussion über Sterbebegleitung unnötig dadurch erschwert, dass das aufgeladene Wort „Sterbehilfe“ immer im Zentrum stand. Der so wichtige Abstand zwischen Totspritzen und Nicht-an-Schläuche-Hängen hingegen wurde bloß durch die Zusätze „aktiv“ und „passiv“ gekennzeichnet. Und da ist der Vorschlag des Ethikrats, erst einmal die Begriffe zu überarbeiten, sogar recht hilfreich. ULRIKE WINKELMANN