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Archiv-Artikel

SELBST BEI UNABHÄNGIGKEIT DES KOSOVO, DIE ALBANISCHE FRAGE IST OFFEN Probleme aufgeschoben

Die „serbische nationale Frage“ löste Anfang der Neunzigerjahre den Bürgerkrieg im ehemaligen Jugoslawien aus. Nach dem Zerfall des gemeinsamen Staates fanden sich Serben in Kroatien und Bosnien vom Mutterland getrennt. Unter dem Motto „Alle Serben in einem Staat“ wollte die serbische Soldateska unter Slobodan Milošević vergeblich die Grenzen Großserbiens ziehen.

Nun drängt sich dem Balkan die „albanische nationale Frage“ auf. Wie früher Serben, leben Albaner außer in Albanien und dem Kosovo in kompakten Gebieten in Mazedonien, Südserbien, Montenegro und Griechenland. In vielen Hauptstädten Europas kann man Landkarten kaufen, auf denen die Grenzen eines Großalbaniens alle Territorien umfassen, auf denen mehrheitlich Albaner leben.

Dem Balkan stehen neue Grenzziehungen bevor: die Unabhängigkeit des Kosovo und die Loslösung Montenegros aus dem Staatenbund mit Serbien. Obwohl weitere Desintegrationsprozesse auf dem Balkan ein Albtraum für Brüssel sind, hat sich die EU allmählich mit dieser Tatsache abgefunden.

Es wäre allerdings kurzsichtig, die Unabhängigkeit des Kosovo getrennt von der „albanischen nationalen Frage“ zu betrachten. Die Politik der außerhalb Albaniens lebenden Albaner wird in Prishtina koordiniert, nicht in Tirana. Allerdings hüten sich albanische Politiker derzeit, territoriale Ansprüche zu stellen, um die Anerkennung eines selbstständigen Kosovo nicht zu gefährden.

Wenn das Kosovo seine Unabhängigkeit bekommt, wird sich die Frage der albanischen Minderheit in den Nachbarstaaten jedoch nicht von allein lösen. Die Angliederung der von Albanern mehrheitlich bewohnten Territorien in Mazedonien und Südserbien an das Kosovo ist ein Thema, das lediglich aufgeschoben ist. Und die EU hat bislang keine Strategie für die Lösung der albanischen Frage entwickelt.

Wie angeheizt die Stimmung ist, zeigen die jüngsten Ereignisse in Südserbien. Und wenn Probleme nicht gelöst werden, dann erscheinen sie eben später wieder, wie das biblische Zeichen an der Wand. ANDREI IVANJI