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Archiv-Artikel

SEIT DER FLUCHT VON THOMAS GOTTSCHALK WAR DIE LAGE ANGESPANNT. ZWEI TOTE KÖNNTEN NUN ZU EINER ESKALATION FÜHREN Auch Kommissare unter den Opfern

DAVID DENK

Die Todeszone Vorabend hat zwei neue Opfer gefordert. Wie der Privatsender Sat.1 am Mittwoch bestätigte, werden die Scripted-Reality-Dokus „Niedrig & Kuhnt – Kommissare ermitteln“ sowie „K11 – Kommissare ermitteln“ wegen anhaltend schlechter Quoten zum 1. Juli abgesetzt. Stattdessen zeigt der Sender die sechste Staffel der US-Krimiserie „Navy CIS“ als Wiederholung in Doppelfolgen.

Als Vater des Begriffs „Todeszone“, der die Schwierigkeit beschreibt, in der Sendezeit zwischen 18 und 20 Uhr ein erfolgreiches Format zu etablieren, gilt der Fernsehmoderator Thomas Gottschalk, 63, der 2012 mit der ARD-Talkshow „Gottschalk Live“ scheiterte. Nach 70 Sendungen wurde das vielkritisierte Format gekippt. Zuvor waren auf diesem Sendeplatz unter anderem bereits der frühere „Germany’s Next Topmodel“-Juror Bruce Darnell mit einer Styling- sowie eine Kuppelshow den Quotentod gestorben.

Das Scheitern all dieser Formate verweist auf eine Veränderung im Tagesablauf der Deutschen. Im Zuge der Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten am 1. November 1996 und der zunehmenden Entgrenzung von Arbeit und Leben sitzen in den beiden Stunden vor der „Tagesschau“ nur noch Arbeitslose, Rentner oder Beamte vor dem Fernseher. 80er-Jahre-Straßenfeger wie „Das Erbe der Guldenburgs“ hätten auf ihren früheren Sendeplätzen heute keine Chance mehr. Daher haben es die Sender auch aufgegeben, am Vorabend in neue Formate zu investieren und klonen stattdessen etablierte. Ein Beispiel ist die ARD-Krimireihe „Heiter bis tödlich“, die sich seit Oktober 2011 am Vorbild „Mord mit Aussicht“ verhebt.

Experten rechnen mit einer baldigen Evakuierung der Todeszone, um weiteren Schaden vom deutschen Fernsehen abzuwenden. Stattdessen könnte in der Tradition des „Nickelodeon Spieltags“ zwischen 18 und 20 Uhr Schwarzbild gesendet werden. Das ist nicht nur noch günstiger zu produzieren als die ohnehin schon zu Dumpingpreisen konzipierten bisherigen Vorabendformate, sondern bereichert auch das Sozialleben der bisherigen Stammzuschauer, die in dieser Zeit nun Zigaretten holen gehen oder mal wieder mit ihrer Frau reden oder gar schlafen können. Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) bezeichnete das Vorhaben als „Schritt in die richtige Richtung“. Auch der Verband der Cigarettenindustrie äußerte sich zustimmend. Sauer ist lediglich der Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie, der Umsatzeinbußen fürchtet.

DIE FÜNFTAGEVORSCHAU | KOLUMNE@TAZ.DE

Montag Martin Reichert Back on the Scene Dienstag Deniz Yücel Besser Mittwoch Matthias Lohre Männer Donnerstag Ambros Waibel Blicke Freitag Michael Brake Nullen und Einsen

Weil er sich mit eigenen Augen ein Bild von der Situation vor Ort machen wollte und aus Solidarität mit seinen Kollegen, ist Deutschlands beliebtester „Tatort“-Star, Jan Josef Liefers, in die Todeszone gereist. „Ich habe schon Zerstörung nach Naturkatastrophen gesehen. Aber diese Zerstörung ist von Menschen angerichtet“, sagte er der mitreisenden Bild-Zeitung sichtlich betroffen. Liefers’ Hilfsangebot: Der Münster-„Tatort“ könnte die Traumata der Todeszonenopfer thematisieren. Ein Drehbuchautor des „Heiter bis tödlich“-Krimis „Fuchs und Gans“ sei bereits mit der Stoffentwicklung beauftragt, so Liefers.