SCHRIFTSTELLERIN. 19. SEPTEMBER 1932 – 25. APRIL 2014 : Stefanie Zweig
VON CAROLINE LINK
Einen Roman, also die literarische Fantasie eines Autors zu verfilmen, ist eine Sache. Noch spezieller ist es, wenn man das Leben einer Person auf die Leinwand bringen möchte. Als mir der Produzent Peter Herrmann 1999 den autobiografischen Roman „Nirgendwo in Afrika“ von Stefanie Zweig zur Verfilmung in die Hand drückte, hatte ich vor dieser Aufgabe einen Heidenrespekt. Was hatte diese Frau alles hinter sich: als Jüdin in der Kindheit verfolgt, mit ihrer Familie nach Kenia emigriert, als junge Frau in das zerbombte Deutschland zurückgekehrt. Ich wollte unbedingt alles richtig machen, diesem dramatischen Leben und dieser außergewöhnlichen Zeit gerecht werden.
Bei unserem ersten Treffen in Frankfurt beruhigte mich Stefanie Zweig erst einmal. „Benutzen Sie mein Material und entwickeln Sie Ihre eigene Vision!“ Ihre Großzügigkeit hat mich beeindruckt. Sie war ein Profi und verstand sofort, dass der Film, wenn er überzeugen sollte, nicht an einer äußerlichen Wahrheit kleben durfte, sondern sich an einer inneren Wahrhaftigkeit, an der Interpretation des Machers orientieren musste.
Ich war nervös, als sie den fertigen Film im Winter 2001 zum ersten Mal sehen konnte. Ich weiß noch genau, wie wir uns im Hotel Bayerischer Hof trafen. Es war ein streng durchorganisierter Interviewtag, Journalisten und Kamerateams warteten im Flur auf ihre Gesprächstermine mit den Darstellern, dem Produzenten und mir.
Stefanie Zweig kam den Gang entlanggelaufen. Sie hatte gerade den Film gesehen und war noch völlig von dieser Reise in ihre eigene Vergangenheit emotionalisiert. Die Orte, die Landschaften, die Menschen, die Darstellung der 1930er und 40er Jahre in Kenia hatten sie in ihre Kindheit zurückversetzt, in das Land, das ihr und ihrer Familie damals nicht nur das Leben gerettet hatte, sondern das sie auch zeitlebens wie einen kostbaren Schatz in ihrem Herzen trug. So trafen wir aufeinander, und sie schüttelte mir sehr herzlich die Hände. Dann kam Sidede Onyulo um die Ecke, der afrikanische Darsteller des „Owour“, des schwarzen Kochs der Familie, ihr engster Verbündeter über viele Jahre im Exil. Bis zu diesem Moment waren sich die beiden nie begegnet. Sidede war schließlich ein kenianischer Schauspieler und nicht der echte Owour. Aber das schien Stefanie Zweig in diesem Moment nicht zu interessieren. Sie fiel dem überraschten Mann um den Hals, drückte und küsste ihn, hielt ihn und weinte vor Freude. Sie nannte ihn „mein Owour“ und konnte sich kaum von ihm lösen. Sidede nahm die Zuneigungsbekundungen der fremden Frau auf typisch afrikanische, herzliche Weise an und hielt Stefanie Zweig an seinen schlaksigen Körper gedrückt, eine ganze Weile fest.
Stefanie Zweig hatte Kenia nie wieder besucht, und auch Owour, ihrem Freund aus Kindertagen, war sie nie mehr begegnet. In der Umarmung an diesem Novembertag lag all das.
■ Caroline Link, 50, ist Regisseurin. Sie hat „Nirgendwo in Afrika“ verfilmt