SCHLESWIG-HOLSTEINS SPD WILL REGIERUNG UND OPPOSITION SEIN : Traumatherapie durch Schizophrenie
Nun ist es also entschieden: Die SPD in Schleswig-Holstein wird mit dem „großen, dicken, peinlichen Verlobten“ – wie ein Redner beim Parteitag am Sonnabend die CDU nannte – ins koalitionäre Ehebett steigen. Rund 84 Prozent der Delegierten nahmen den Vertrag an, ein überraschend lautes „Ja“ zur Regierungsbildung. Die Spitzenleute der Nord-SPD redeten den Bund schön, versprachen sozialdemokratische Inhalte und verwiesen darauf, dass ohne ihre Beteiligung alles viel schlimmer würde.
Aber was wird aus der Partei, die ihr Chef Claus Möller als „links, dickschädlig und frei“ charakterisierte? Klar ist, dass die gescheiterte Wahl von Heide Simonis im Landtag die SPD Schleswig-Holsteins stark beschädigt hat. Bisher, so erklärte Möller in seiner Rede, hätten Partei und Regierung an einem Strang gezogen. Das könne jetzt „nur noch bedingt“ gelten, schließlich müssten Regierungsmitglieder und Funktionäre nun Kompromisse mittragen, „die nicht unserer Programmatik entsprechen“. Dagegen müsse die Basis „stärker zur Profilbildung beitragen“.
Was Genosse Möller da fordert, ist Traumatherapie durch Schizophrenie. In der Praxis heißt das: Die Landesregierung prüft ein Naturschutzgebiet – das Fähnlein Fieselschweif vom SPD-Ortsverein hisst die rote Fahne für den Kiebitz. Oder: Schwarz-Rot Kiel kegelt die Gemeinschaftsschule – der Sozen-durchsetzte Elternbeirat wedelt mit dem Parteiprogramm vom Herbst 04. Hoffentlich nimmt die Basis das nicht allzu ernst: Sie könnte ihrer Ministerriege innerhalb von Monaten jede Glaubwürdigkeit nehmen, zur nächsten Wahl brauchte die Truppe gar nicht mehr antreten. Aber auch das Gegenteil wäre fatal – Möller hat schon Recht, die Partei könnte ihr Profil verlieren.
Wie sich die SPD auch dreht und wendet, sie nimmt fast zwangsläufig weiter Schaden. Dem großen, dicken, peinlichen Ehepartner kann das nur Recht sein: Bei der nächsten Wahl 2010 wird er vermutlich die gespaltene SPD aus dem Bett schubsen und ganz allein regieren dürfen. Die einzige Hoffnung: dass es schon vorher zum Krach und zur Scheidung kommt. ESTHER GEISSLINGER