SCHATZI IST BESSER ALS MAUSI UND GLITZER IST IRGENDWIE ÜBERALL : Als Georg im Hau meinen Flokati vielleicht für so etwas wie ein Okapi hielt
Plötzlich sind überall Ösis in Glitzerleggings. Mein ganzes Wochenende ist voll von denen. Am Donnerstagabend spielen „Popsch“ aus Wien in der Flittchenbar im Südblock. Sie tragen enge Glitzerklamotten und singen über Polizisten und Unrasiertsein. Schöner Elektropop-Tanz-Trash, schöne Menschen, schöner Wodka.
Am Freitag ist erst mal Uni, dann Arbeit, dann Shoppen. Ein neuer Laden in der Friedrichstraße hat Schlussverkauf. Eigentlich bin ich pleite, aber meine Güte, man kann ja mal gucken.
Ich kaufe: eine dünne schwarze Jacke, fünf Euro. Ein grellpinkes Kleid ohne Träger, auch fünf Euro, und einen lila Kunstpelzkragen, drei Euro. Heißer Scheiß, aber hallo!
Danach treffe ich mich mit meiner Mutter zum Essen beim Inder. Am Nebentisch sitzen zwei dicke Frauen in indischen Kleidern und labern wie Wasserfälle. Ich rede meiner Mutter aus, sich bei Facebook anzumelden, und zeige ihr nacheinander meine hotten Einkäufe. Die Inderinnen hören auf zu reden und gucken zu uns rüber.
„Ooooh“, machen sie beim Pelzkragen, „Aaaah“, beim pinken Kleid. „Schöne Farbe!“, sagt die eine. „Nur fünf Euro? Das hast du gut gemacht!“, lobt mich die andere. Mama sagt nur: „Oha, sehr elegant.“
Wie ein alter Teddy
Der Freitagabend treibt uns dann zu den „Queer Beats“ im HAU 2, also Stefan und mich. Als wir gerade davor stehen, kommt eine SMS von Georg: „Seid ihr schon da?“ Weil ich eine weiße Teddypelzjacke trage, schreibe ich zurück: „Halte Ausschau nach dem weißen Flokati.“
Als wir uns dann treffen, sagt Georg, auch Ösi übrigens, er wusste nicht, was ein Flokati ist, und dachte, es ist vielleicht sowas wie ein Okapi, und dachte, damit komme ich doch gar nicht rein. Na ja, jedenfalls finden wir uns, bestellen Bier und Wodka und gehen zum ersten Konzert.
Es ist ein Kanadier, der da ganz alleine auf der Bühne steht mit seiner Gitarre. „Woodpigeon“ nennt er sich. Er singt so lieblich und leise und freundlich wie ein alter Teddy, den man schon als Baby hatte. Die Diskokugel über der Bühne sieht aus wie der Planet Melancholia in Lars von Triers Film. Groß, hell und schön, aber auch bedrohlich.
Georg sagt, Woodpigeon sei vor kurzem auch nach Österreich gezogen. Woodpigeon trägt keine Glitzerleggings, aber eines seiner Lieder besteht vor allem aus der Zeile „Schatzi, please“, was auch schon sehr leggingsmäßig ist. In der Ansage danach rechtfertigt er sich: „It’s better than Mausi, right?“ Klar, irgendwie. Noch mal Bier und Wodka, bitte.
Danach kommt eine Band, die sich für gar nichts rechtfertigen muss. „Sawoff Shotgun“ aus Wien: drei Schwestern, die ganz himmlisch singen, ab und zu ein paar Instrumente spielen, und dazu, im Hintergrund, ein Schlagzeuger. Sie machen unendlich geilen Elektro-Punk-Pop, laut und schön und tragen glitzernde und goldene Leggings und alles ist plötzlich pink-schwarz-silber-bunt.
Ich bin ab dem ersten Lied verliebt. Eine ist heißer als die andere. Und sie sind überhaupt nicht blöd mädchenmäßig, mit dem vielen Glitzerzeugs, sondern einfach drei wunderbare Frauen, das mag ich.
Am besten sind die Texte. Eines der Lieder hat die Refrainzeile „I’m not much of a dancer / but hey, I know how to fuck“. Ich hab selten einen schöneren Satz gehört. Das ganze restliche Wochenende hab ich diesen Ohrwurm. Wenn Bob Dylan als Kandidat für den Literaturnobelpreis gehandelt wird, dann bitte auch die Sawoff Shotguns. Die Wahrheit kennt kein Genre, und sie kann auch in Elektro-Punk-Pop gekleidet sein.
Später spielt noch eine andere Band, die Musik ist nett. Ich finde sie ein bisschen krachig und undefiniert, Stefan sagt, sie ist „sphärisch“. Er findet sie besser als die Sawoff Shotguns, aber kauft mir trotzdem beide CDs von denen. Wahre Liebe. Ich bin total beglückt. Danke, Österreich!