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Rücktrittsforderungen wegen LoveparadeDemo gegen Duisburger Bürgermeister

Adolf Sauerland will nichts mit den Entscheidungen zur Technoparty zu tun gehabt haben. Der Beamtenbund erwartet Konsequenzen.

"Sauerland raus!": Demonstranten vor Duisburger Rathaus. Bild: dpa

Vor dem Duisburger Rathaus forderten am Donnerstag mehrere hundert Menschen den sofortigen Rücktritt von Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU). "Sauerland raus!", skandierten die aufgebrachten Demonstranten. Sie werfen dem Stadtoberhaupt und den Spitzen der Verwaltung vor, sich aus der Verantwortung für die Loveparade-Katastrophe zu stehlen, bei der am Samstag 21 Menschen ihr Leben verloren. Es dürfe keine "heuchlerischen Entschuldigungen" mehr geben, sagte ein Redner unter großem Applaus. Offizielle Vertreter der Stadt ließen sich auf der Kundgebung nicht blicken.

Unterdessen rechtfertigte Sauerland in mehreren Zeitungsinterviews sein Verbleiben im Amt. Das entspräche seinem "Pflichtbewusstsein", sagte er den Zeitungen der WAZ-Gruppe. "Wenn es Verantwortung zu übernehmen gibt, werde ich diese übernehmen." Doch die kann er bisher nicht erkennen: "Persönliche Verantwortung kann es nur geben, wenn es ungerechtfertigte Eingriffe in den Prozess gegeben hätte. Diese gab es aber nicht." Am Entscheidungsprozess für die Loveparade sei er nicht beteiligt gewesen. "Ich persönlich habe nichts unterschrieben, keine einzige Genehmigung", sagte er der Bild. Vielmehr hätten "die zuständigen Stellen in der Verwaltung" die Genehmigungen erteilt.

Immerhin entschuldigte er sich dafür, dass er zunächst am Samstag von "individuellen Schwächen" als Unglücksursache gesprochen und behauptet hatte, die Opfer seien zu Tode gestürzt. Tatsächlich waren sie an den Folgen von Brustquetschungen gestorben.

Die Duisburger Ratsfraktion der Linkspartei hat inzwischen angekündigt, ein Amtsenthebungsverfahren gegen Sauerland und den Ordnungsdezernenten Wolfgang Rabe (CDU) zu initiieren. Für die Abwahl des Stadtoberhauptes sieht die NRW-Gemeindeordnung allerdings hohe Hürden vor. Zunächst einmal müssten mindestens 50 der 75 Duisburger Stadtratsmitglieder der Einleitung des Verfahrens zustimmen. Das könnte an der CDU scheitern, da die anderen Parteien nur auf 49 Sitze kommen. Käme der Antrag durch, könnten dann die Bürger abstimmen: Sauerland wäre abgewählt, wenn sich mindestens 25 Prozent aller Wahlberechtigten dafür aussprächen.

Der Deutsche Beamtenbund wirft den Duisburger Stadtoberen vor, im Vorfeld der Loveparade Mitarbeiter der Verwaltung systematisch unter Druck gesetzt zu haben. Damit habe erreicht werden sollen, dass sie Sicherheitsbedenken fallen lassen, um den Megaevent zu ermöglichen. "Aufgrund des bis heute bekannten Sachverhalts zur Tragik in Duisburg stellt sich die Frage, warum der Regierungspräsident als Aufsichtsbehörde bisher keine disziplinarrechtlichen Maßnahmen eingeleitet hat", sagte der Vorsitzende des Beamtenbunds NRW, Meinolf Guntermann. Aus der Führungsebene auf diese Weise Mitarbeiter unter Druck zu setzen, offenbare hochgradiges Fehlverhalten von Vorgesetzten.

Wegen des erwarteten großen Andrangs wird die zentrale Gedenkveranstaltung, die am Samstag in der Duisburger Salvatorkirche stattfindet, jetzt auch auf Großbildleinwänden an zahlreichen weiteren Orten in der Stadt übertragen. Oberbürgermeister Sauerland wird an der Trauerfeier nicht teilnehmen.

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6 Kommentare

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  • P
    Passagier

    Dass solch eine Katastrophe einfach passieren kann, ohne dass es einen "Schuldigen" gibt, den man lynchen darf, dass es bei Massenaufläufen zu Panik und zu Toten kommen kann, sollte man wissen. Das kommt z.B. in Indien und Mekka jährlich vor. Das läuft unter dem, was Juristen "allgemeines Lebensrisiko" nennen - dem sich jeder aussetzt, der zu solchen Massenveranstaltungen geht.

     

    Hat der Duisburger Oberbürgermeister persönlich durch irgendein Handeln die Ursache für diese Katastrophe gesetzt? Falls nicht - warum sollte der Duisburger Bürgermeister zurücktreten?

     

    Die Rücktrittsforderungen, der politische Druck, die öffentliche Hetzjagd bis hin zu Morddrohungen erinnert mich an die amerikanischen Südstaaten der 1950er Jahren. Kam es dort zu einer Vergewaltigung, wurde der nächstbeste Schwarze gelyncht - es musste einfach irgendjemand büßen, damit sich die empörten Wallungen des Volkes beruhigen konnten.

  • L
    Lars

    Welchen Grund hat es bei dieser Demo, eine Deutschlandfahne rumzuschwenken?

  • M
    Marino

    Sehr geehrter Herr Sauerland,

     

    sie werden aufgrund der dramatischen und bedauerlichen Geschehnisse auf der Loveparade auf jeden Fall zurücktreten müssen. Dies aus mehreren Gründen:

     

    1. Als Leiter der Verwaltungsbehörde Duisburg werden sie sehr wohl in die Entscheidungsprozesse einbezogen und haben die Verantwortung für gefällte Entscheidungen (auch ohne ihre persönliche Unterschrift).

     

    2. Sollte dieses dann doch nicht der Fall gewesen sein, dann füllen sie ihr Amt sehr mangelhaft aus und sollten dieses schnellstmöglich niederlegen.

     

    3. Mag sein das ihnen das fremd ist, es gibt auch so etwas wie eine moralische Verantwortung und diese moralische Verantwortung wäre schon ein Rücktrittsgrund.

     

    4. Ein weiterer Rücktrittsgrund für sie sind ihre unverschämten und verletzenden Äußerungen nach der Tragödie in ihrer Stadt.

  • N
    Nikolini

    Herr Sauerland klammert sich an seinem Amt.In der Planungsphase aussen vor, in der Genehmigungsphase aussen vor, und...., wo noch aussen vor ?

    Herr Sauerland hat das Direktionsrecht inklusive der

    Verpflichtungen die in diesem Amt inkludiert sind und

    das gilt insbesondere für diesen Megaevent !

    Fazit:Der Duisburger OB muss seinen Platz räumen,je schneller desto besser!

  • R
    rolf

    rolf

    die gründe liegen doch viel viel tiefer.

    So ein Sauerland-Biertischler, was denkt er denn über raver, schwule und lesben - oder alle, die nicht seiner "ebene" entsprechen. Alles doch nur dreck.

    Und wenn man sie schon feiern lassen will, doch dann höchstens hinter starken Mauern und zäune, am besten vielleicht sogar stacheldraht? Und so war es.

    Eingezäunt auf dem alten Bahnhofsgelände und kontrolliert durch schmale einlässe sollten sie sich doch austoben. Das Geld allerdings, dass sie der pleitestadt bringen sollte - und das image - das wollte man allerdings gerne mitnehmen.

    Ich habe noch eine persönliche frage an den OB. Durften vielleicht seine kinder auf das fest - oder hätten sie dürfen, wenn er welche hätte? (ich weiss es nicht).

    ... und nun lege ich dem OB noch in den mund - so beim nächsten stammtisch "da reisst man sich ein bein aus, damit diese schlampen feiern können, und danach machen sie einen solchen zoff....!"

  • PS
    Peter Schneider

    Die Duisburger haben da keine Chance. Erfahrungsgemäß tritt ein Adolf nie freiwillig zurück.