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Rücktritt in BremenJürgens-Pieper streicht die Segel

Bremens Senatorin für Bildung, Wissenschaft und Gesundheit gibt auf: Schuld sind unter anderem die Grünen.

Tritt als Senatorin für Bildung, Wissenschaft und Gesundheit zurück: Renate Jürgens-Pieper (SPD). Bild: dpa

BREMEN taz | Renate Jürgens-Pieper (SPD) hat ihre Ämter als Senatorin für Bildung, Wissenschaft und Gesundheit am gestrigen Montag zur Verfügung gestellt. Als Grund für ihren Rücktritt nannte sie die Uneinigkeit über das „strukturelle Defizit des Bildungshaushaltes“ – und die in der Nacht zum Montag gefällten „Entscheidungen des Koalitionsausschusses“, wie mit diesem umzugehen sei. Diese „kann ich nicht mittragen“, erläuterte Jürgens-Pieper in einer persönlichen Erklärung.

Zwar wäre sie bereit gewesen, „durch Sparanstrengungen einen erheblichen Teil der fehlenden Mittel selbst zu erwirtschaften“. Jedoch habe sich im Koalitionsausschuss nicht einmal Einigkeit darüber herstellen lassen, „dass es eine strukturelle Unterfinanzierung gibt“, so Jürgens-Pieper. Während sie den Etat nicht für hinreichend ausgestattet halte, vertrete „der grüne Koalitionspartner die Position, der Bildungsetat sei in den vergangenen Jahren aufgestockt worden“. Ein Frontalangriff gegen Finanzsenatorin Karoline Linnert (Grüne) und den Vorstandssprecher der grünen Partei, Hermann Kuhn, der zugleich Finanzpolitiker der Bürgerschaftsfraktion ist.

Linnert mochte sich dazu nicht äußern, während die grüne Parteispitze sich ein schmales und unpersönliches Statement abrang: Man teile diese Begründung ausdrücklich nicht, an den Beschlüssen habe sie selbst mitgewirkt – ein Dissens zwischen den Koalitionspartnern existiere nicht.

Wahr ist, dass auch in Jürgens-Piepers eigener Partei die Sicht der Senatorin offiziell nur bedingten Rückhalt genießt. So hatte der SPD-Landesvorsitzende Andreas Bovenschulte noch vorm Verschicken der Senatorinnen-Erklärung darauf gepocht, dass der Schulhaushalt zwar „weiterhin nicht üppig“ sei. Dass man im Vergleich zu 2007 aber „pro Schüler mehr Ressourcen“ aufwende. Die öffentliche Wahrnehmung, der Bildungshaushalt werde von der rot-grünen Koalition als Spar-Etat missbraucht, „entspricht einfach nicht den Tatsachen“, so Bovenschulte auf einer Pressekonferenz zu den Ergebnissen des Koalitionsausschusses.

Jürgens-Piepers Bilanz

Renate Jürgens-Piepers größter Erfolg als Bildungssenatorin war die Herstellung des zehnjährigen Schulfriedens, der - statt die Gymnasien abzuschaffen - diese Schulform konserviert, ihr aber eine konkurrenzfähige Oberschule als Schule für alle entgegenstellt.

Vorreiter war das Land Bremen unter ihr bei der Einführung des inklusiven Lernens seit 2011.

Schlusslicht geblieben ist es in allen Schul-Bildungsvergleichen.

2011 und 2012 sorgte für Unruhe, dass Schulen und LehrerInnen gegebene Stellen und Stundenzusagen wegen zuvor nicht erkannten Geldmangels jeweils zu Beginn der Sommerferien zurückgezogen wurden.

Ebenso falsch sei der Eindruck einer schleichenden Entmachtung Jürgens-Piepers durch jene Nachtsitzung, die en détail die Sparmodalitäten für ihr Ressort formuliert hatte, bis hin zum Versuch, das Ressort auf eine engere Auslegung hauseigener Verordnungen zu verpflichten. Man könne das auch dahingehend interpretieren, dass so der Senatorin tendenziell der Rücken gestärkt würde: „Auf diese Weise sind beide Koalitionspartner für unliebsame Entscheidung verantwortlich“, so Bovenschulte. „Da kann nicht einer den schlanken Fuß machen.“

Indes, Jürgens-Pieper scheint er damit nicht überzeugt zu haben. Dass die ehemalige Leistungssportseglerin den Bettel hinschmeißt kommt überraschend: Jürgens-Pieper, unter drei Ministerpräsidenten Kultusministerin Niedersachsens, seit 2007 für Wissenschaft und Bildung in Bremen zuständig, hatte nach der Wahl 2011 auch das Gesundheitsressort übernommen. Die durchs Frühchensterben auf der städtischen Neonatologie ausgelöste Klinik-Krise schien sie im parlamentarischen Untersuchungsausschuss unbeschadet zu überstehen. Und völlig ungerührt, ja schroff wirkte die Art, wie sie den fast jährlich wiederkehrenden SchülerInnenprotesten begegnete.

Zum Abschied gab’s gestern warme Worte vom Bürgermeister, das übliche Bedauern der Partei, vergifteten Respekt von der CDU, die sie verantwortlich für „den nicht gelösten Ressourcenmangel an den Schulen“ macht – und „volles Verständnis“ seitens der Linksfraktion: „Sie hat völlig Recht“, urteilt deren Vorsitzende, Kristina Vogt. „Was sie schreibt, ist eins zu eins das, was wir seit langem sagen.“ Nämlich, dass die Ziele der Bremer Bildungsreform – deren Pfeiler der Aufbau der Oberschulen als Schulen für alle und für alle Abschlüsse, der Ausbau der Ganztagsschulen sowie die flächendeckende Einführung der Inklusion sind – Geld kosten. Und dass der Rückgang der Schülerzahlen nicht ausreicht, um sie zu finanzieren, obwohl das der Koalitionsvertrag so festlegt. Jürgens-Pieper habe das erkannt, so Vogt. „Ich kann ihr nur empfehlen, die Partei zu wechseln.“

Das wird sie kaum tun. Bis zur Klärung der Nachfolge will sie die Amtsgeschäfte weiterführen. Ob sie danach ihr Bürgerschaftsmandat wahrnimmt, ist ungewiss: „Ich werde Bremerin bleiben“, schreibt die gebürtige Braunschweigerin, „und die weitere Entwicklung mit großem Interesse verfolgen.“

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5 Kommentare

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  • OV
    Olav van Gerven

    Das J.P. zurückgetreten ist zeigt, dass doch noch etwas mehr Anstand und Konsequenz vorhanden sind als das Handeln der letzten Jahren vermuten ließ. Für diese konsequenz hebe ich meinen Hut, sei es auch nur kurz.

     

    Was die Zukunft angeht sollten sich alle Parteien einmal die Bremer Verfassung anschauen und dann besonders der Artikel 27, indem das Recht auf eine der Begabung entsprechende Bildung gesichert wird. Alle Senatsmitglieder sind auf diese Verfassung vereidigt, es wird also höchster Zeit dass sie anfangen auch diesen Artikel umzusetzen. Sonst könnte man denken, sie hätten einen meineid geleistet.

     

    Was Politiker nicht zu verstehen scheinen ist, dass jeder heute in der Bildung frühzeitig investierte Euro sich volkswirtschaftlich mehrfach zurückzahlen wird. Allerdings nicht mehr in der eigene Legislaturperiode - und das wird das Problem sein.

  • L
    Lebow

    Es ist ja durchaus möglich, dass der Bildungshaushalt strukturell unterfinanziert ist. Aber die Schuld daran jetzt den Grünen zuzuweisen, ist eine billige Ausflucht der Senatorin. Sie hat an den Haushaltverhandlungen teilgenommen und sie hat offensichtlich die Bedarfe ihrer Behörde dort nicht eingebracht. Das gilt nicht nur für die Heizkosten (http://www.radiobremen.de/politik/nachrichten/bremenheizkostenschulen100.html ), sondern ebenso für die von ihr benötigten Mittel für Stellen, die Inklusion etc.

     

    Es ist natürlich nicht sicher, dass ihr die von ihr gewünschten Mittel zugestanden wären, wenn sie diese Bedarfe rechtzeitig angemeldet hätte, aber wenn sie nicht einmal angemeldet waren, ist es auch kein Wunder, dass sie jetzt fehlen.

     

    Frau Jürgens-Pieper hat es zweimal geschafft, ursprünglich nicht angemeldete Mittel für Stellenbesetzungen zu bekommen, indem sie kurz vor den Sommerferien 2011 und 2012 durch die öffentliche Verkündung dieser Engpässe eine Welle der Empörung unter Schülern, Lehrern und Eltern erzeugt hat, angesichts derer sich die Koalitionsparteien bereit erklärt haben, zumindest vorläufig neue Mittel zur Verfügung zu stellen. Jetzt hat sie scheinbar gemerkt, dass diese Erpressungstaktik weder bei ihren SenatskollegInnen noch in den Fraktionen von SPD und Grünen unbegrenzt häufig angewendet werden kann. Und da ihr offensichtlich die Ideen fehlten, wie sie auf andere Art von ihren eigenen Versäumnissen ablenken kann hat sie jetzt hingeschmissen, nicht ohne noch einmal ein eine Blendgranate zu zünden.

  • K
    Kimme

    In Bremen zeigt sich jetzt deutlich, was überall schon lange Realität ist. Die Grünen scheren sich einen Dreck um Bildung und fordern lieber ständig Zuwanderung, Integrationsmaßnahmen und Genderförderung. Das sowohl Gleichberechtigung als auch Integraation durch bessere Bildung automatisch gefördert werden, blenden sie seit Jahren erfolgreich aus und stärken weiter Parallelgesellschaften und fehlende Aufstiegschancen für MEnschen mit Migrationshintergrund.

  • WB
    Wolfgang Banse

    Rücktritt kommt zu spät

    Senatorin Jürgens-Pieper hätte schon viel früher als Senatorin uzurück treten sollen,was das Sterben von Säuglingen iom Klinikum Bremen-Mitte anbetrifft.Durch ihr Verbleiben im Amt,hat sie dem Amt Schaden zugefügt. Das Ressort Bildung und Wissenschaft ,sowie das Ressort Gesundheitswesen sollten unabhängig mit Senatorenposten besetzt werden.

  • C
    Christian

    Das Bremer Schulsystem laviert seit über zehn Jahren am Rande des Kollaps. Mehr oder minder alle wissen es, keiner tut was, weder die Mangelverwalterin in Gestalt der Senatorin, noch die Bremische Bürgerschaft, noch der zahnlose Tiger Gewerkschaft, in dessen Gazette lieber Werbung für Burn-Out-Kliniken für Lehrer gemacht wird und der via Leiharbeit ("Stadtteilschule e.V.") viel Lehrkörper für wenig Geld an die maroden Schulen bringt. Die Lehrer_innen, vor allem aber die Schülerinnen und Schüler sind - zum Teil buchstäblich - die Dummen dabei.

    Ich bin als Lehrer in Bremen ausgebildet worden und habe dort insgesamt zwei Jahre gearbeitet. Ich bin froh, dass ich mittlerweile in einem anderen Bundesland vergleichsweise günstige Arbeitsbedingungen gefunden habe.