■ Rudolf Scharpings Liebe zum Castor von Gorleben: Das Ende eines Schattenministers
Gerhard Schröder, haben wir gelernt, gibt so schnell nicht auf. Auch gestern wieder unterbreitete er wortreiche Vorschläge, wie denn das Problem der Atomenergie zu lösen sei. Endlager weltweit, Zwischenlager in Deutschland für den Müll, der die nächsten paar tausend Jahre gefährlich bleibt. Und wenn die Industrie durchaus wolle, dürfe sie auch neue Reaktoren bauen. Das ist nun weder neu noch dumm oder gar skandalös. Nur lohnt es sich kaum noch zuzuhören. Seit der Castor-Fahrt nach Gorleben ist schlicht unwichtig geworden, was der Ministerpräsident von Niedersachsen zu diesen Fragen sagt.
Gewiß müssen rein nationale Lösungen des Atommüllproblems nicht die besten sein, und das Angebot neuer Reaktorgenehmigungen an die Industrie ist weitgehend gegenstandslos. Sie will in Deutschland keine mehr bauen, warum also soll man diesen Gespensterstreit nicht durch ein verbales Zugeständnis aus der Welt schaffen? Ein Verrat am Atomausstiegsbeschluß der SPD ist das nicht, es wäre vielmehr eine durchaus geistreiche Art, ihn durchzusetzen.
Das jedoch wird nicht geschehen, gleichgültig, was Bürgerinitiativen, Umweltverbände und Grüne von soviel Kompromißbereitschaft halten. Schröder ist gescheitert, das Debakel seiner Politik des Energiekonsenses ist umfassend. Schon der zweifellos unsinnige Vorschlag, Einsatzkosten der Polizei privaten Unternehmen in Rechnung zu stellen, verriet die Verliererpanik des Mannes, der noch im letzten Jahr als Rudolf Scharpings bestes Argument in den Wahlkampf zog. Natürlich hat die Bürgerinitiative von Lüchow-Dannenberg nie an einen Erfolg Schröders geglaubt, profitiert hat sie von seinen Bonner Energiegesprächen dennoch. Die Fronten waren beweglicher geworden, weniger die Atomindustrie als vielmehr die Regierung war in Argumentationsnöte geraten.
Jetzt haben sie von seiten der SPD nichts mehr zu befürchten. Schröder wurde abserviert, ohne daß auch nur eine Stimme aus der Partei für das Projekt laut geworden wäre, das hauptsächlich mit seinem Namen verbunden war. Angela Merkel schickte den Castor gen Niedersachsen. Zufrieden protestierten am nächsten Tag SPDler wie Baden-Württembergs Umweltminister Schäfer gegen die harte Linie der Angela Merkel. Sie war gar nicht gemeint. Der Ausstieg aus der Atomenergie nämlich, so lautet die süffisante Pointe aus dem Schwabenland, sei nun mal Sache der Bundes-, nicht etwa der Landesregierungen.
Das ist Scharpings Handschrift. Er will regieren, demnächst auch in Bonn. Ganz im stillen hat er sein Schattenkabinett umgebildet. Gerhard Schröder gehört nicht mehr dazu, er darf in Niedersachsen U-Boote verkaufen und Energiesparprogramme beschließen. Darüber muß niemand traurig sein, der jetzt erst recht gegen die Atomenergie demonstriert. Aber zur Freude besteht auch kein Grund. Niklaus Hablützel
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