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Archiv-Artikel

Romantik des Minimalen

Achten Sie auf den Pianisten: Ludovico Einaudi erspürt im Mandarin die Schönheit des (beinahe) immer Gleichen

Von aldi

Gelernt hat Ludovico Einaudi, geboren 1955 in Turin und aufgewachsen zwischen Politikern und Künstlern, Medienschaffenden und Autoren, so heißt es, vor allem bei seinem Landsmann Luciano Berio. Am deutlichsten indes beziehen sich seine Arbeiten für Solopiano, die er nun auf deutschen Bühnen vorstellt, auf Kollegen wie den großen Popularisierer der US-amerikanischen Minimal Music, Philip Glass; aber auch auf den Musik-als-Mobiliar-Erfinder Erik Satie mit seiner kompositorischen Beiläufigkeit und Effizienz.

Auch Glass konnte vor 30 Jahren gerade dort, wo die tonbildnerische Hochkultur weniger präsent war, neben „der Metropolitan Opera und der Carnegie Hall“ auch „in Rocktempeln und Beatschuppen“, wie der Musikwissenschaftler Ulrich Dibelius 1988 schreibt, „die selbe emphatisch begrüßte Aufnahme finden“. Insofern betritt Einaudi, der bekannt wurde vor allem durch Filmmusiken, aufführungspraktisch kein Neuland, wenn er seine aufgefächerten Dreiklangvariationen in romantischer Färbung nun in den Ruinen des Mojo Club spielt. Es sind ja, so scheint es, zwei große, einander teils überlagernde Strategien, die der gemeinhin als Klassikbetrieb bezeichnete Teil der Musikindustrie verfolgt, um der Überalterung seiner Zielgruppe zu begegnen: Neben dem regelmäßigen Bedienen mit neuen Gesichtern, SolistInnen zumeist und umgeben von geradezu Popstar-artiger Inszenierung, ist das der versuchte Austausch zwischen „Klassik“ und Clubkultur.

Aus Sicht der pessimistischeren europäischen Musikkritik dürfte angesichts der Ähnlichkeit im Einfachen in beider Feier des (beinahe) immer Gleichen kein Zweifel bestehen an der Verwandtschaft von Pattern-verliebter Minimal Music und dem Vierviertelschema so mancher Tanz-Elektronika. In den Marketingabteilungen der verbliebenen großen Klassik-Verlagshäuser will man aber auf etwas anderes hinaus: Ausgestellt wird da, in plüschigem Retro-Look, der Chillout-Effekt der alten Homies Ludwig van und Wolfgang A. Und da passt – damit dürfte man dem erklärten Minimalisten kaum Unrecht tun – Ludovico Einaudis Musik bestens hinein: So behaglich ist sie in ihrer Durchsichtigkeit, anregend im Einlullenden.

aldi

heute, 20 Uhr, Mandarin Kasino (Reeperbahn 1)