Die anderen: Robert Skidelsky, Ex-Sprecher der Konservativen im House of Lords, schreibt in der "Financial Times" zum Zusammenhang des russischen Feldzugs in Tschetschenien mit der Nato-Intervention im Kosovo
Robert Skidelsky, Ex-Sprecher der Konservativen im House of Lords, schreibt in der Financial Times zum Zusammenhang des russischen Feldzugs in Tschetschenien mit der Nato-Intervention im Kosovo: Der Tschetschenienkrieg ist eine Folge der Kosovo-Operation: Sie zeigte den Russen die „westliche, zivilisierte“ Art, diese Art Krieg zu führen und sie verschob das Kräftegleichgewicht in der russischen Politik zugunsten des Militärs. Die Veröffentlichung des OSZE-Berichts zu „Menschenrechten im Kosovo“ ist ein guter Grund, sich Kosovo noch einmal anzuschauen, weil der Bericht die Lügen der Nato-Kriegsmaschine so deutlich aufzeigt.
Mittlerweile ist klar, dass die Militärintervention der Nato in Jugoslawien nach internationalem Recht illegal war. Der OSZE-Bericht belegt, dass die Nato-Intervention die humanitäre Katastrophe auslöste, die sie angeblich verhindern sollte. Das Papier enthält keine Anzeichen für die These der Nato, Slobodan Milošević habe einen Völkermord und die Massenvertreibung der Albaner geplant, oder dass es die Nato-Intervention war, die diese „humanitäre Katastrophe“ verhindert hat. Im Gegenteil, der Bericht macht klar, dass die Flucht oder Vertreibung von 863.000 Kosovo-Albanern nach dem Beginn der Nato-Luftangriffe begann.
Diese jugoslawische Reaktion auf die Nato-Aktion kann unter keinen Umständen gerechtfertigt werden. Aber es muss doch daran erinnert werden, dass Jugoslawien eine Invasion mit Bodentruppen zusätzlich zu den Feindseligkeiten der Kosovo-Befreiungsarmee erwartete. An diesem Punkt hätte es Ziel jeder sensiblen Diplomatie sein müssen, eine ausgeweitete Beobachtermission im Kosovo zu halten. Das aber passte nicht in das Nato-Konzept, Gewalt anzuwenden, um Herrn Milošević in die Knie zu zwingen – eine Aktion, die die Welt zu einem gefährlicheren Ort gemacht hat. Bis jetzt hat die Nato ihren Anteil daran nicht eingestanden.
Marshall-Plan“-Hilfe der Nato an Serbien wäre vielleicht ungerechtfertigt – aber nichtsdestotrotz weise, denn wirtschaftliche Verarmung ist das Beet, auf dem Nationalismus gedeiht. Schließlich sollten wir von den Erfahrungen der osteuropäischen „Samtenen Revolution“ lernen und die Anklage wegen Kriegsverbrechen gegen Milošević fallen lassen. Das wird es ihm ermöglichen, die Macht abzugeben, ohne an das UN-Tribunal in Den Haag ausgeliefert zu werden. Bevor wir nicht willens sind, unsere eigenen Fehler im Kosovo einzugestehen, wird Russland uns zu Tschetschenien nicht hören wollen – und auch nicht zu anderen Fragen. (Deutsch von RR)
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