: Ringen um das SPD-Parteibuch
Sozialdemokratische Ströbele-Fans wehren sich in der SPD-Bundesschiedskommission gegen ihren Ausschluss. Landeschef Strieder bleibt hart: Wer die Partei schädigt, soll raus
Grau fiel ihm sein Zopf auf die Schultern, als Dolf Straub (63) aus Raum 1.38 der SPD-Bundeszentrale kam. Der einstige Juso-Chef ist bei den Sozis alt geworden. In jenem Raum ging es darum, in der Partei noch ein bisschen älter zu werden und einen Rauswurf rückgängig zu machen. Die SPD-Bundesschiedskommission hatte abzuwägen, ob die Berliner Sozialdemokraten ihn und drei Parteifreunde zu Unrecht abstraften, weil sie im Wahlkampf den Grünen Christian Ströbele unterstützten. Dass es sich um lang gediente Mitglieder handelt, war für Landeschef Peter Strieder kein Milderungsgrund: Wer die Partei schädige, den könne die SPD nicht gebrauchen. Das Urteil soll in den nächsten Wochen folgen, hieß es nach der Sitzung.
Unter dem Titel „Sozialdemokraten für Ströbele“ hatten die vier mit einem Brandenburger SPDler Mitte September ihre Parteifreunde dazu aufgerufen, in Friedrichshain-Kreuzberg für den Grünen und nicht für den SPD-Direktkandidaten Andreas Matthae zu stimmen. Der sei über die Landesliste abgesichert, unterstellte die Anzeige fälschlicherweise. Noch vor dem Wahltag drohte Landeschef Strieder mit Ausschluss wegen parteischädigenden Verhaltens.
Nach der Wahl, die Matthae mit rund 3.800 Stimmen Rückstand auf Ströbele verlor, machte Strieder Ernst. Anfang November urteilte die Landesschiedskommission: Rauswurf für Straub und Irmgard Schlosser, Kreischefin der SPD-Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen. Milder kamen FU-Dozent Richard Stöss und Waldemar Klemm davon. Stöss darf drei Jahre lang keine Parteifunktion übernehmen, Klemm muss seine Mitgliedschaft ebenso lang ruhen lassen. Es wäre solidarische Pflicht gewesen, den eigenen Kandidaten zu unterstützen, sagte Strieder gestern.
Mitte Dezember rügte die Brandenburger SPD den fünften Unterzeichner des Pro-Ströbele-Aufrufs, den Rechtsanwalt und früheren Berliner Verfassungsrichter Klaus Eschen. Er sollte seine Mitgliedsrechte drei Jahre ruhen lassen. Eschen trat daraufhin aus. „In so einer piefigen, kleinkarierten Partei habe ich nichts mehr zu suchen“, hatte er schon zuvor angekündigt.
Stöss akzeptierte, Straub, Schlosser und Klemm aber – zusammen 103 Jahre lang in der Partei – wandten sich an die Bundesschiedskommission, deren Votum nach Parteiangaben endgültig ist. „Wir fühlen uns auf Landesebene ungerecht behandelt“, sagte Schlosser gestern. Straub wies erneut den Vorwurf des parteischädigenden Verhaltens zurück. Die politische Dimension des Schadens sei zudem ins Verhältnis zu setzen zu einem anderen Aufruf, den SPD-Landesgeschäftsführer Ralf Wieland mit gezeichnet hatte. Ohne ähnlich behelligt zu werden, rief er rot-grüne Wähler zum Stimmensplitting mit grüner Zweitstimme auf. STEFAN ALBERTI