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■ Richterliches zur MeinungsfreiheitMeinen und Handeln

„Es ist eine riesengroße Verarschung, was hier stattfindet.“ Zwar stimmen weder die Grammatik des Satzes noch sein Inhalt. Er wurde nämlich von dem als Neonazi bekannten Ewald Althans vor der Gedenkstätte Auschwitz in bezug auf eben diesen Ort gesagt. Hierfür und für andere verbale Schmähungen steht Althans seit gestern wegen Volksverhetzung vor dem Berliner Landgericht. Der Satz könnte aber stimmen, wenn man ihn als Kommentierung zu der Diskussion um die Freiheit der Meinung und der Kunst liest. Er könnte stimmen, wenn man ihn auf die Anklage bezieht, die die Staatsanwaltschaft gegen Althans erhoben hat.

Schon die bundesdeutsche Gesetzgebung, wonach die Leugnung des Holocaust einen Straftatbestand darstellt, ist problematisch. Solche Gesetze sind nicht ein Zeichen von Stärke und Demokratie, sondern das Gegenteil. Sie zeigen nur, welche Kraft man solchen Schmähungen nach wie vor beimißt, und künden von Angst und Mißtrauen. Das Recht auf eine freie Meinung ist nur dann sinnvoll, wenn es universal gilt. In dem Moment, wo bestimmte Äußerungen sanktioniert werden, ist es schon in Auflösung begriffen. Und dennoch: Die Abgrenzung zwischen Erlaubtem und Verbotenem ist nicht in jedem Fall einfach. Die verbale Hetze, die dazu aufstachelt, andere zu verletzen oder zu töten, ist strafwürdig. Ein rechtzeitiges Verbot des Stürmers hätte es Hitler vielleicht etwas schwerer gemacht.

Althans hat seine Äußerungen – seien sie nun Volksverhetzung oder nur normales Proletentum – vor laufender Kamera bei den Dreharbeiten für den Dokumentarfilm „Beruf Neonazi“ getan. Für ein Kunstprodukt mithin, ein Werk, das nach unserer Verfassung unbeschränkten Schutz genießt. Dieser Schutz ist auch dem Dargestellten selbst zu gewähren. Seine Äußerungen in einem Film sind nicht mit den Augen des Strafverfolgers zu bewerten, sondern großzügig und freiheitsliebend. Mögen die Worte auch noch so sehr unseren moralischen Vorstellungen und Werten entgegenstehen.

Zeitlich parallel zum Althans-Prozeß beginnt in Braunschweig ein Strafprozeß gegen einen jungen Leserbriefschreiber, der geschrieben hatte: „Soldaten sind bezahlte Killer.“ Nach dem Bundesverfassungsgerichtsurteil vom letzten September – „Soldaten sind Mörder“ – hatte man hoffen können, daß wenigstens dieses Thema erledigt wäre. Jeder könne sagen, was er denke, auch wenn „er keine nachprüfbaren Gründe für sein Urteil angibt“ und unabhängig davon, ob seine Äußerung „wertvoll oder wertlos“ sei, urteilten die Richter. Man schöpfte Meinungsäußerungsfreiheitsmut. Julia Albrecht

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