Rewe macht Rückzieher: Flaschensammler unerwünscht
Ein Supermarkt im Hamburger Schanzenviertel verweigert die Rücknahme von Pfandflaschen - und bezieht sich dabei auf "Leergutsammler". Dann rudert er zurück
HAMBURG taz | Das Schanzenviertel mit seiner Partymeile ist eine beliebte Anlaufstelle für Menschen, die ihren Lebensunterhalt durch das Sammeln von Pfandflaschen verdienen. Doch die Leergutsammler finden nicht nur Unterstützer: Eine Filiale der Supermarktkette Rewe in der Altonaer Straße verweigerte ihnen jüngst die Rückgabe von Pfand. „Leergut wird nur noch in Höhe von 10 € täglich angenommen (dieses bezieht sich nur auf Leergut Sammler!). Ihr Rewe Team“ (siehe Bild), stand auf einem Schild neben den Mehrweg- und Einwegrückgabeautomaten.
Rewe rudert auf Nachfrage der taz zurück: „Der Schreiber des Aushanges wollte mit dem Wort ’Leergutsammler‘ diejenigen ansprechen, die Leergut sammeln und zurückgeben – also alle unsere Kunden. Es lag ihm fern, bestimmte Personengruppen zu bezeichnen“, sagt Thomas Bonrath, Pressesprecher von Rewe. Dennoch wird das Schild aus der Filiale entfernt: „Die Missverständlichkeit des Aushanges darf natürlich keinen Bestand haben. Wir werden den Aushang entfernen“, so Bonrath.
In der Filiale selbst klingt das anders. Ein Mitarbeiter sagt, dass einige Pfandsammler mehrmals täglich so viel Leergut abgeben würden, dass fast das gesamte Lager gefüllt sei. „Die können ja zu Supermärkten in der Umgebung gehen und nicht alles hierher bringen“, so der Angestellte. Zudem hätten sich Kunden beschwert, dass die Automaten wegen der Pfandsammler ständig blockiert seien. Als weiteren Grund führt er an, dass „diese Menschen ja auch Steuern hinterziehen – wenn man Hartz IV kriegt, kann man monatlich circa 150 Euro dazu verdienen. Die Typen, die hier ihr Pfand abgeben, machen deutlich mehr Gewinn.“
Doch darf ein Supermarkt die Annahme von Leergut verweigern? Beim Einwegpfand, das bei Leergutsammlern besonders beliebt ist, weil es mehr Geld bringt und leichter ist, ist die Rechtslage eindeutig: „Beim Einwegpfand ist die Verweigerung der Rücknahme schlichtweg verboten“, sagt Ingo Strube, ein Sprecher des Bundesumweltministeriums. Der Supermarkt müsse das zurücknehmen, was verkauft wird, eine Begrenzung gebe es nicht: „Wenn so ein Schild neben einem Einwegautomaten hinge, wäre es rechtswidrig.“
Anders sieht es beim Mehrwegpfand aus. Eine Pflicht für die Einzelhändler, die Pfandflaschen wieder zurückzunehmen, gebe es hier nicht, sagt Wolf Albin, ein Sprecher des Bundesjustizministeriums. Supermärkte können in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen bestimmen, wer Mehrwegpfand zurückgeben darf, solange es nicht gegen geltende Gesetze wie beispielsweise das Anti-Diskriminierungsgesetz verstößt. Genau so kann die Menge an Mehrwegpfand, die zurückgenommen wird, limitiert werden.
Auch andere Supermärkte in Hamburg sehen Menschen, die mit Hilfe von Flaschenpfand ihren Lebensunterhalt bestreiten, nicht gern. Eine Pfandsammlerin aus St. Pauli berichtet, dass Mitarbeiter eines Ladens in der Paul-Roosen-Straße ihr die Rückgabe verweigerten – angeblich, weil sie nur die Flaschen abgeben dürfe, die sie auch selbst gekauft hat. Eine andere Leergutsammlerin berichtet von einer „Kollegin, der bei Edeka gesagt wurde, dass sie von den 50 Euro Pfand, die sie abgab, nur maximal zwanzig Euro in bar kriegen darf. Für den Rest sollte sie dort einkaufen.“
Dass Pfandsammler seitens des Einzelhandels mitunter als Problem wahrgenommen werden, könnte damit zusammenhängen, dass das Pfand für Supermärkte auch ein Geschäft ist. Von nicht zurückgebrachten Mehrwegflaschen profitieren sie direkt, weil die Kunden ja für das Pfand bezahlt haben. Doch auch das Einwegpfand scheint Verdienstmöglichkeiten zu bieten: So geht aus dem Geschäftsbericht von Rewe für 2011 hervor, dass das Unternehmen mit dem Einwegpfand ganze zwölf Millionen Euro Plus machte.
Von nicht zurückgebrachten Einwegflaschen profitieren die Getränkehersteller, da der Einzelhandel ihnen Pfand gezahlt hat, das sie dann nicht zurückgeben müssen. Und hier könnte der Profit von Rewe herkommen: mit Eigenmarken wie „ja!“ ist die Supermarktkette selbst Getränkehersteller. Jede „ja!“-Flasche, die nicht zurückgegeben wird, bringt somit Rewe Profit. Pfandsammler aber bringen besonders viel Einwegpfand zurück.
Eine weiteres Problem im Pfandsystem sind Personal-, Lagerungs- und Transportkosten, die anfallen, wenn mehr Pfand als einkalkuliert abgeben wird. Die Deutsche Pfandsystem GmbH (DPG), die das so genannte Ausgleich-System des Einwegpfands entwickelt hat, hat allein das Pfandgeld berücksichtigt. Kosten wie Lagerung, Personal und Transport werden nicht abgedeckt. „Alles Weitere über das Pfand hinaus ist eine Sache, die allenfalls der Einzelhandel mit den jeweiligen Getränkeherstellern vereinbart“, sagt Verena Götzke von der DPG.
Jede Pfandflasche, die zurückgegeben wird, kostet Geld – entweder dem Getränkehersteller, oder dem Einzelhandel. Kein Wunder, dass Flaschensammler da unbeliebt sind.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen