piwik no script img

Rekordschwimmer im PorträtPhelps, der Held

Früher war Michael Phelps erfolgreich. Jetzt ist er auch noch cool - weil er seine Lektion über das Leben in der Öffentlichkeit gelernt hat.

Auf dem Weg zum Gold: Hier bei der 400-Meter Lagen-Staffel. Bild: reuters

PEKING taz Um das feine Sportlerbild für sein Publikum hübsch abzurunden, macht Michael Phelps neuerdings sogar manchmal einen Witz. So bekommt der unheimliche Rekordlieferant aus Maryland, früher für seine langweiligen Pressekonferenzen verschrien, auch ein paar menschliche Züge. Wie bei seinem ersten Auftritt in Peking, als er im größten auffindbaren Saal auf dem Olympia-Gelände zu seinem Bärtchen am Kinn Stellung bezog.

Es war einmal - 1972

Der Kalifornier Mark Spitz gewann bei den Olympischen Spielen in München sieben Goldmedaillien im Schwimmen - in Weltrekordzeit. Insgesamt stand Spitz neun Mal bei Olympischen Spielen ganz oben auf dem Treppchen. Diese Marke hat der US-Schwimmer Michael Phelps nun locker erreicht: Mit seinen Siegen über 200 Meter Schmetterling und in der 4 x 200 Meter Freistilstaffel hat er nun insgesamt elf olympische Goldmedaillen errungen. Er will zudem einen weiteren Rekord von Spitz knacken und strebt allein bei diesen Spielen nach acht Goldmedaillen. Mark Spitz traut seinem Landsmann Phelps den Rekord zu: "Er ist wie ich." Spitz, der nach seinen Fabel-Spielen in München 22-jährig vom Schwimmsport zurücktrat und mit einem Comebackversuch vor den Spielen 1992 scheiterte, ist allerdings ein bisschen beleidigt. Weniger, weil sein Rekord möglicherweise flöten geht, sondern weil ihn weder das IOC noch das US-Fernsehen oder der Schwimm-Weltverband zu den Schwimm-Wettbewerben nach Peking eingeladen hätten. "Und man geht nicht einfach so zu den Spielen. Nicht, wenn man der ist, der ich bin", sagt ein gekränkter Spitz, der Phelps gerne eine Goldmedaille überreicht hätte. JH

Neben ihm saß seine Teamkollegin Dara Torres - die 41-jährig Schwimmerin und Mutter einer zweijährigen Tochter nimmt in Peking zum fünften Mal an Olympischen Spielen teil. Als sie nach dem stoppeligen Gesichtsschmuck von Phelps befragt wurde, nahm der ihr die Antwort ab. Legte sachte den Arm um Torres Hals und gurrte ins Mikrofon: "Sie ist meine Mama. Sie mag mich mit und ohne Bart." Die Amerikaner jauchzten über diese Koketterie - und gestern Vormittag jauchzten sie wieder über ihren 23-jährigen Landsmann, als der in Peking mit seiner zehnten und elften Goldmedaille zum erfolgreichsten Olympioniken aller Zeiten aufgestiegen war.

"Ich wollte von klein auf bei den Spielen dabei sein", erzählte Phelps später und versuchte sich an einer Gefühlsbeschreibung: "Es ist fast, als würde ich den Verstand verlieren. Der Größte von allen? Das ist schon ein ziemlich cooler Titel." Cool - das war der US-Supermann, der als Kind am Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom litt und deshalb drei Mal am Tag das Betäubungsmittel Ritalin einnehmen musste, vor vier Jahren in Athen noch nicht. Sechs Mal Gold und zwei Mal Bronze holte er trotzdem. Doch mit dem Theater, das schon damals um seine Person veranstaltet wurde, kam er einfach nicht klar. Dabei hatte er die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit selbst auf sich gelenkt: Vor den Spielen in Athen hatte Phelps mit seinem Schwimmanzugshersteller einen spektakulären Vertrag ausgehandelt. Hätte er damals den Rekord von Mark Spitz (siehe Kasten) eingestellt und ebenso wie der legendäre US-Schwimmer im Jahr 1972 sieben olympische Goldmedaillen gewonnen, wäre sein Sponsor zur Zahlung von einer Million Dollar bereit gewesen. Das Vorhaben scheiterte. Für die Spiele 2008 gilt der Vertrag immer noch. Doch Phelps hat offenbar seine Lektion gelernt und macht nicht mehr so viel Aufhebens darum.

Das erledigen inzwischen andere. Großverdiener Michael Phelps, der dank Sponsorenverträgen rund fünf Millionen Dollar im Jahr verdient (Wettkampfprämien nicht eingerechnet) ist ein Superstar in seinem Heimatland. Der US-Fernsehsender NBC hat dem Internationalen Olympischen Komitee 894 Millionen Dollar bezahlt - damit die Schwimmentscheidungen zu für US-Zuschauer angenehmen Zeiten fallen, nämlich zwischen acht und zwölf Uhr am Abend. NBC rechnet durch die Spiele mit Einnahmen von mehr als einer Milliarde Dollar, was natürlich nur funktioniert, wenn US-Erfolge zu besten Sendezeiten zu bewundern sind.

Aber nicht nur der Rummel um seine Person hat das Leben des Michael Phelps stark verändert. Nach den Spielen in Athen hat er sein Leben mächtig umgekrempelt: Ende 2004 zog er aus bei seiner Mutter Debbie, bei der er seit der frühen Trennung seiner Eltern gewohnt hatte. Phelps ging nach Ann Arbor, Michigan, schrieb sich dort an der Universität ein, trainierte anfangs ein bisschen zu wenig für einen Spitzenathleten, und machte dafür ein bisschen mehr Unsinn als sonst. Abseits des Pools. Er nabelte sich von zu Hause ab - das, was man mit 19 eben so macht.

Beim Goldknaben Phelps bekommen aber sogar solche Banalitäten Gewicht. Zumal er selbst gern betont, wie speziell der Wegzug aus Maryland für ihn war. Und Michael Phelps ist auf den Geschmack gekommen. Unter seinem nach außen smarten, am Beckenrand aber eisenharten Coach Bob Bowman trainiert er sieben Tage die Woche, oft bis zu sechs Stunden täglich. Er beschränkt sich neben Essen und Schlafen monatelang auf das Leben zwischen den Kachelwänden. Und wenn Phelps einmal nicht will, dann will Bowman garantiert.

Aber jetzt widersetzt sich das Allroundtalent, das so viele Schwimmstile beherrscht wie kein anderer vor ihm. Weil Sportler nach Olympischen Spielen oft in ein tiefes Motivationsloch rutschen, hat sich Phelps bereits für die Zeit nach Peking gewappnet: 400 Meter Lagen, teilte er seinem strengen Trainer in China gerade mit, will er nie mehr schwimmen.

Und der Mann vom Olymp glaubt, dass Bowman ihn trotzdem noch mag. Auch ohne das anstrengende Lagenschwimmen im Programm. Dara Torres muss ihn ja auch so mögen, wie er gerade ist. Wobei er das schicke Bärtchen vor dem ersten Start in Peking zur Sicherheit doch noch schnell abrasiert hat.

.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!