piwik no script img

Regierungsbildung im LibanonPremier kündigt „Reform und Rettung“ an

Zwei Jahre lang war der Libanon von einem Interimskabinett geführt worden, am Samstag hat Präsident Joseph Aoun die Regierung unter dem neuen Premier Nawaf Salam ins Amt gesetzt. Sie soll das Land aus der Krise bringen.

Nawaf Salam war zuvor Präsident des Internationalen Gerichtshofs (IGH) in Den Haag und gilt als unparteiisch Foto: Emilie Madi/reuters

Beirut afp/dpa | Im krisengeschüttelten Libanon hat Präsident Joseph Aoun eine neue Regierung ernannt. Wie sein Büro am Samstag im Onlinedienst X mitteilte, unterzeichnete Aoun drei entsprechende Dekrete. Der neue Ministerpräsident Nawaf Salam kündigte eine Regierung der „Reform und Rettung“ an. Er wolle das Vertrauen der Bürger in den Staat sowie das Vertrauen der internationalen Gemeinschaft und der arabischen Nachbarstaaten in den Libanon wieder herstellen, sagte er in einer Fernsehansprache.

Aouns Büro zufolge, ordnete der Präsident die Bildung einer Regierung aus 24 Ministern an. Zudem akzeptierte er demnach den Rücktritt von Übergangsregierungschef Nadschib Mikati, der Mitte Januar in einer Parlamentsabstimmung deutlich gegen Salam unterlegen war. Salam, ein sunnitischer Muslim, war zuvor Präsident des Internationalen Gerichtshofs (IGH) in Den Haag. Er gilt bei Unterstützern als unparteiisch. Experten sehen in seiner Wahl eine Schwächung der pro-iranischen Hisbollah-Milz, deren Vertreter auch im Beiruter Parlament sitzen.

Die UNO begrüßte die Regierungsbildung, nachdem der Libanon zuvor mehr als zwei Jahre lang von einem Interimskabinett geführt worden war. „Die heutige Regierungsbildung läutet ein neues und helleres Kapitel für den Libanon ein“, erklärte die UN-Sondergesandte für den Libanon, Jeanine Hennis-Plasschaert.

Das Land befindet sich seit Jahren in einer tiefen politischen und wirtschaftlichen Krise, hinzu kam der Konflikt zwischen Israel und der Hisbollah, der nach dem Großangriff der mit der Hisbollah verbündeten radikalislamischen Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 wieder eskaliert war.

Im Rahmen des libanesischen Systems der Machtteilung ist der Präsident traditionell ein maronitischer Christ, der Regierungschef ein sunnitischer Muslim und der Parlamentspräsident ein schiitischer Muslim.

Ermittlungen zur Explosion in Beiruts Hafen wieder aufgenommen

Unterdessen hat nach zweijähriger Unterbrechung ein Richter im Libanon die Ermittlungen zur tödlichen Explosion im Hafen von Beirut 2020 wieder aufgenommen. Richter Tarek Bitar befragte am Freitag zwei Hafenarbeiter, wie aus Justiz- und Sicherheitskreisen verlautete. Bei der Explosion von Hunderten Tonnen Ammoniumnitrat in einer Lagerhalle waren damals mindestens 218 Menschen ums Leben gekommen, mehr als 6.000 wurden verletzt. Weite Teile der libanesischen Hauptstadt wurden verwüstet. Es entstanden Schäden in Milliardenhöhe.

Die Ermittlungen zur Unglücksursache waren jahrelang mit Problemen behaftet. Behördenvertreter, die im Zusammenhang mit der Explosion beschuldigt wurden, warfen Bitar Voreingenommenheit vor. Sie verweigerten eine Aussage und forderten, dass er von den Ermittlungen ausgeschlossen wird. 2023 ordnete der damalige Chefankläger Ghassan Oweidat an, dass 17 Personen aus der Untersuchungshaft entlassen werden, darunter Hafen- und Zollarbeiter. Bitar verurteilte die Entscheidung als illegal.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!