Regierung: Die Streitthemen der Koalition
Bundeswehreinsatz im Inland, Online-Durchsuchungen und Mindestlohn entzweien SPD und Union. Ein Überblick.
Was darf die Bundeswehr?
Bisher darf die Bundeswehr im Inland nur zur Verteidigung, gegen bewaffnete Aufstände, bei Naturkatastrophen und schweren Unglücksfällen sowie zur technischen Amtshilfe eingesetzt werden.
Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) will das Grundgesetz so ändern, dass die Armee außerdem bei einem "Angriff auf die Grundlagen des Gemeinwesens" eingesetzt werden kann. Damit will er auch den Abschuss eines entführten Passagierflugzeugs ermöglichen. Außerdem will er die Bundeswehr im Innern zum Schutz "ziviler Objekte" wie Behörden einsetzen. Die SPD lehnt beide Grundgesetzänderungen ab, weil sie keine Militarisierung der Innenpolitik will.
Außerdem wirft die SPD Schäuble vor, dass er das Verfassungsgerichtsurteil vom Vorjahr unterlaufe. Dort wurde eine Verfassungsänderung ausgeschlossen, die den Abschuss entführter Passagiermaschinen zur Terrorbekämpfung regelt. Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) erneuerte gestern das Angebot der SPD, per Grundgesetzänderung den Abschuss von Terroristenflugzeugen ohne unschuldige Passagiere zu ermöglichen. Dies hält auch das Bundesverfassungsgericht für möglich. Schäuble geht das nicht weit genug. CHR
Wie privat sind Computer?
Der Bundesgerichtshof hat im Februar erklärt, dass die heimliche Ausspähung von Computerfestplatten nur mit einer gesetzlichen Regelung möglich ist. Seitdem will Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) ein solches Gesetz schaffen. Die SPD lehnt Online-Durchsuchungen nicht generell ab, ihr geht aber alles zu schnell. Sie will genauer klären, was eine staatliche Spionagesoftware alles leisten könnte und ob dafür überhaupt Bedarf besteht. Zumindest will sie eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts abwarten, die im nächsten Frühjahr verkündet wird. Die SPD wäre bereit, dem BKA sofort neue Befugnisse zur Terrorabwehr zu geben. So soll es präventiv Telefone und Wohnungen abhören dürfen. Doch Schäuble will den entsprechenden Gesetzentwurf erst einbringen, wenn die SPD auch Online-Durchsuchungen zustimmt.
Nach langem Drängen der Union hat Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) jetzt ein Gesetz vorgelegt, das unter anderem den Besuch eines Terrorausbildungscamps für strafbar erklärt. Die Union kritisiert, dass dabei die Absicht nachgewiesen werden muss, dass die neuen Kenntnisse für einen Anschlag verwendet werden sollen und dies praxisfern sei. CHR
Wie niedrig darf der Lohn sein?
Die SPD will einen allgemeinen Mindestlohn durchsetzen, der Beschäftigten mit einer Vollzeitstelle ein existenzsicherndes Einkommen garantiert. Die Höhe des Mindestlohns soll einmal im Jahr eine Kommission vorschlagen, in der Arbeitgeber, Gewerkschaften und Wissenschaftler vertreten sind. Das Arbeitsministerium soll diesen Vorschlag dann für rechtsverbindlich erklären.
Die SPD verweist darauf, dass es in fast allen anderen Staaten der Europäischen Union Mindestlöhne gebe. Dagegen lehnt die Union einen flächendeckenden Mindestlohn mit der Begründung ab, einfache Tätigkeiten würden zu teuer, Jobs gingen verloren. Im Sommer einigten sich SPD und Union darauf, in einzelnen Branchen Mindestlöhne einzuführen. Dafür wollen sie das Entsendegesetz ausweiten, das vor zehn Jahren zur Abwehr ausländischer Billigkonkurrenz in der Bauwirtschaft geschaffen wurde und mittlerweile auch für andere Branchen gilt. In der Pipeline steckt gerade eine Regelungen für das Elektrohandwerk. Die Frage, ob der vom Kabinett in dieser Woche beschlossene Mindestlohn für Postdienstleister für alle Postboten gilt oder nur für Menschen, die Briefe transportieren, ist noch nicht ausdiskutiert. AJE
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