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Regierung Erdogan geht gegen Minderheit vorKurden von den Wahlen ausgeschlossen

Die Wahlkommission untersagt zwölf Kandidaten Teilnahme an der Abstimmung am 12. Juni. Jetzt könnte auch die Kurden-Partei BDP einen Rückzieher machen.

Proteste in Istanbul gegen den Ausschluß von zwölf kurdischen Kandidaten von den Parlamentswahlen am 12. Juni. Bild: reuters

ISTANBUL taz | Als "Schock" oder "Bombennachricht" bezeichneten türkische Zeitungen am Dienstag die Entscheidung der Wahlkommission vom Vorabend. Zwölf der aussichtsreichsten kurdischen Kandidaten, unter ihnen so prominente Namen wie Leyla Zana und Sebahat Tuncel, werden von der Parlamentswahl am 12. Juni ausgeschlossen. Die Entscheidung könnte dazu führen, dass sich alle Vertreter der kurdischen BDP zurückziehen und erstmals seit mehr als 20 Jahren keine kurdische Partei bei Wahlen antreten würde.

Die Entscheidung des Wahlrates ist vor allem vor dem Hintergund der erbitterten Konkurrenz der regierenden islamischen AKP und der kurdischen BDP im Südosten des Landes brisant. Die AKP von Premier Tayyip Erdogan kämpft für eine absolute, am liebsten verfassungsändernde, Mehrheit bei den Parlamentswahlen. Um das zu erreichen, braucht sie möglichst viele Stimmen im kurdisch bewohnten Teil des Landes. Dort dominiert aber die kurdische Regionalpartei, auch wenn die AKP zuletzt unter den Kurden relativ gut abschnitt.

Weil die kurdische BDP landesweit keine Chance hat, die undemokratische 10-Prozent-Hürde zu überspringen, kandidieren die BDP-Leute in den kurdischen Städten und Gemeinden als Unabhängige. Gelingt es mehr als 20 Kandidaten direkt gewählt zu werden, können sie im Parlament eine Fraktion bilden.

Das war der BDP bei den Wahlen 2007 erstmals gelungen. Nach allen Umfragen hätte es im Juni sogar für 30 Sitze reichen können. Zwölf dieser 30 Kandidaten dürfen nun nicht antreten, Nachnominierungen sind nicht möglich und der Fraktionsstatus damit unwahrscheinlich.

"Das ist eine rein politische Entscheidung", kommentierte der BDP-Chef Selahattin Demirtas den Coup des Wahlrates. Gegen alle fragliche Kandidaten habe es zuvor keine rechtlichen Einwände gegeben, zwei seien sogar im Parlament vertreten. "Sie wollen die Kurden politisch ausschalten und mundtot machen", erregt sich Demirtas, "aber das haben sie in den letzten 30 Jahren nicht geschafft und das werden sie auch jetzt nicht schaffen".

Obwohl Parlamentspräsident Sahin und andere hohe AKP-Vertreter bestritten, auf die Entscheidung des Wahlrates Einfluss genommen zu haben, geht der Rest des Landes davon aus, dass die Bürokraten diese Entscheidung nicht ohne Rückendeckung der Regierung getroffen haben. Damit fällt schon jetzt ein großer Schatten auf die Legitimität des kommenden Wahlergebnisses.

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18 Kommentare

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  • X
    Xatar

    Es sind die kurden die den meisten Terror erleben mussten, es ist das kurdische Volk das den frieden am dringensten braucht. Seit über 30 Jahren kämpft das kurdische Volk für ihre Recht doch Türkei und Iran, Irak lassen es nicht zu. Obwohl Amerika, Türkei Irak und Iran gegen 15000 kurdische Freiheitskämpfer in den Grenzen zwischen Türkei und Irak kämpfen haben sie keine Chance. Sowie Abdullah Öcalan sagte auch wenn die ganze Welt sich gegen uns stell geben wir nicht auf. Man sagt das die Kurden Terroristen sind aber wie kann das den sein ? HPG-chef Murat Karaylan sagt wenn wir Terroristen sind warum sind dann Millionen von verbündete hinter uns dann stimmt doch irgendwas mit der logik nicht. Nicht nur seit 30 Jahren kämpfen wir sonder schon seit ca. 100 jahren. Damals hat das osmanische Reich und die Briten sich verbündet und haben Kurdistan bombardiert. Wegen der vielen Bodenschätze in unseren Land. Soviel leid und Terrorismus hat noch niemand erlebt auser die kurden. Doch wir werden unsere Fahen heben und mit voller Stolz sagen ich bin Kurde aus Kurdistan. Biji

  • R
    ruckzuck

    Inzwischen sind die Kandidaten der BDP zu den Wahlen am 12. Juni 2011 von der Wahlkommission zugelassen worden.

    Leider gibt es derweil einen Toten kurdischen Studenten und etliche schwer Verletzte Demonstranten zu beklagen.

     

    Ein paar Worte zu den "idiotischen" und "schwer kriminellen" Kurden vom Kommentar "echter Türke".

     

    1. Die Meinung, dass KurdInnen "schwer von Kapee" sind, ist in meinen Augen eine allgemeine Sichtweise vieler "echter Türken". Aber der Text vom "echten Türken"suggeriert für mich, dass KurdInnen es nicht bis heute begriffen haben "echte Türken" zu sein.

     

    2. Dadurch, dass diese Bevölkerungsgruppe behauptet eine eigenständige Ethnie zu sein und auf "Autonomie" pocht, verstößt jeder der von sich behauptet ein "glücklicher Kurde" zu sein gegen jegliche Gesetze der Türkei. Also,nach den Gesetzen innerhalb der Türkei ist ein Kurde von Geburt ab ein "idiotischer schwer Krimineller". Es sei denn, sie oder er versichern jeden Morgen, wie es in den Türkischen Schulen geschieht, "Wie glücklich derjenige, der von sich behaupten kann ein Türke zu sein" oder so ähnlich... Sollte man Mal in Deutschland einführen, was wohl hier für eine kontroverse Diskussion entstehen würde...

     

    Erfreulich ist, dass viele "echte Türken" bei der pro-kurdischen Partei BDP sind und einige auch sich zu den "Idioten" zählen durften. Denn sie gehörten auch zu den verbotenen und jetzt wieder zugelassenen Kandidaten.

     

    Kurden, Türken und andere Ethnien gleichberechtigt nebeneinander, wie in Einem Gedicht vom türkischen Dichter Nazim Hikmet beschrieben scheint immer mehr in Erfüllung zu gehen in der Türkei:

     

    Leben einzeln und frei

    wie ein Baum und dabei

    brüderlich wie ein Wald

    das ist unsere Sehnsucht

  • MO
    Manfred O.

    Kennthier niemand das türkische Wahlrecht ?

     

    Alle Stimmen von unter-10%-Parteien werden automatisch der Partei mit dem höchsten Stimmenanteil (also AKP) zugeschlagen.

     

    So kommt die AKP mitzur fast 2/3 Mehrheit im Parlament.

  • EE
    Ein echter Türke

    Die Wahlkommision hat fehlende Dokumente bemängelt und ihr Veto eingelegt. VETO bedeutet, dass den Betroffenen eine Frist gesetzt wurde, diese Dokumente nachzureichen. Es hat keiner die Partei der Kurden verboten und keiner hat irgendeinen aus- oder eingesperrt.

    Also, weil 12 Idioten nicht alle Formulare eingereicht haben und ihnen nun eine Nachfrist gesetzt wurde, gegen tags darauf plötzlich hunderte gewaltebereite Anhänger auf die Strassen und brennen alles nieder!! Das zeigt, wie kriminell deren Anhängerschaft ist. Hätten die Krawallmacher wenigstens die Frist abgewartet und es stünde endgültig fest, dass keiner dier 12 zugelassen wird, dann würde ich Unmut auf der Strasse verstehen, aber wegen einer Nachfrist und Veto gleich alles niederzubrennen in Istanbul ist weitab jeder demokratischen Vorstellung.

  • M
    Max

    was ich an Erdogan nicht verstehe in deutschland sagt er "assimilation ist ein verbrechen" und was macht er mit den millionen kurden??

     

    Die politiker in der türkei leben doch durch die PKK ganz einfach....

     

    will ja nur mal am rande sagen das die regierung gespräche mit dem kurden führer abdullah öcalan führt..also soviel zum terrorismus!!

  • J
    John

    Wie kommt ihr darauf das die "Regierung" gegen Kurden vorgeht???

     

    Die Wahlkommission ist unabhängig und entscheidet selbständig!!!

     

    Ich glaube gerade Erdogan, dessen Frau selbst eine Kurdin ist würde so etwas veranlassen!

  • B
    Brusk

    Ohne %10 Hürde würde BDP mehr als 50 Abgeortneten schaffen. %10 Hürde ist nur da damit kein Kurdenpartei ins Parlament kommt.

  • J
    James

    >>Geht der Rest des Landes davon aus..

  • R
    ruckzuck

    Die Kandidaten sind nicht nur kurdischer Herkunft, sondern Türken und andere waren darunter.

     

    Das ist Demokratie auf: "Wünsch dir was!" Millionen von Wählern werden nicht ernst genommen. Kennt man noch aus Südafrika während der Apartheit.

     

    Schade, dass die Kurden nicht "schwarz" sind. Dann wäre die Empörung unter den grün Lackierten Liberalen eine andere...

  • W
    Witzig

    Witzig, ich habe für Islam und Türkei nicht übrig, aber ich respektiere die türkische Souveränität.

     

    Ich laste Herrn Erdogan lediglich sein inadäquates Verhalten auf deutschen Boden an. Außerdem finde ich sollte er endlich aufhören uns seine Überbevölkerung in die Sozialsysteme zu schicken.

     

    Was aber in der Türkei passiert, ist die Sache der Türken.

  • Q
    querolant

    Hallo ihr anderen Kritiker,

     

    zunächst einmal ist eine regierung bzw. hier wahlkommission, nicht wirklich ein abbild einer bürgergemeinschaft. Eine kommission und auch regierungen bestehen aus fehlbaren und vorbelasteten individuen. Kommentare die hier ganze bürgergemeinschaften in eine Schublade stecken sind also offenkundig einer disskriminierenden natur.

    Flotille zu den kurden ist zwar einen lacher wert, aber hätte besser höchstens am stammtisch zum wohle gebracht werden sollen.

     

    Ich für meinen teil finde erdogans arbeit in der türkei recht sehenwert, auch weil ich der meinung bin das erdogan die kurden eben nicht aussen vor lassen will. Die umstrittene regierende partei(AKP) wird von einer (skurilerweise rechten) nationalistischen linken(MHP/CHP) Opposition sachgemäß bedrängt, dabei sollte man bedenken das diese Parteien der letzten jahrzehnte, dem kurdischen wähler ferner sind als die AKP. Nun muss die AKP sich entweder für oder gegen die unterstützung und somit dem vorwurf terroristen zu wahl zuzulassen entscheiden. Wobei die Wahlkommission das (k.a. ob und wiefern beeinflusst)ja entschieden hat. Ich denke das der wirtschatliche wachstum in der türkei die kurden in zukunft auch immer stärker machen wird und sie sich mit der Zeit immer besser gehör verschaffen werden können. Jedenfalls ist die türkei immernoch im umbruch und die zeit wird zeigen was die zukunft bringen wird. Ich persöhnlich würde mich freuen wenn die BDP mit der AKP zusammenarbeiten würde, jedoch fürchte ich die Zeit ist dafür, zumindest in dieser und wahrscheinlich auch in der nächsten wahlperiode, wegen dem umbruchs vom militärstatt in eine demokratie? Islamstaat? oder irgendwas dazwischen noch nicht reif.

  • A
    Amed

    Der Terrorismus geht ganz sicher von der türkischen Regierug aus. Wenn in diesem Land Demokratie herrschen würde, würden die Kurden kurdischsprachige Schulen öffnen dürfen, ihre Identität frei ausleben dürfen, ihre eigene Meinung ausleben dürfen. Jedoch wird dem kurdischen Volk das alles verboten. Trotz allem kämpfen die Kurden politisch bis an ihre Grenzen und werden das weiterhin tun, denn die Unterdrückung wird durch den Widerstand der Freiheitsbewgung besiegt werden.

    Mit der Meinung was würde Deutschland machen wenn die Linke vorher in terroristische Aktivitäten verwickelt wäre, zeigt nur das diese Person die dinge objektiv betrachtet. Wer sagt denn das es richtig wäre wenn Deutschland dies machen würde ?

  • KD
    Kurden Domokrat

    Das zeigt einmal wieder wie undemokratisch und unfähr die Türkei ist.

    Die sind nicht viel besser wie die Arabischen diktator staaten.

  • H
    HÜSS

    Die Regierung stellt sich selbst ein Bein. Am Ende braucht die Regierung eine Adresse für Verhandlungen und fährt mit einer Kurdenpartei besser - als ohne sie. Aber diese Wahl könnte für die AKP knapper werden, da nutzten sie nun ihre Macht.

  • HK
    Hejaro Kardox

    Ich grüßße Sie Herr Falke,

     

    wer unterdückt wen seit 1823, wenn ich Sie fragen darf?

     

    Würden Sie sich dagegen nicht wehren, wenn Ihre Menschen und Ihr Volk solange unterdrückt wird?

     

    Glauben Sie wirklich den türkischen Ausreden und Geschichten?

     

    Was müssen die Kurden doch noch tun, damit die Welt und insbesondere die Medien, die Kurdenfrage wahrnehmen würden?

     

    MfG

  • F
    falke

    Entschuldigung taz so nicht.

    Was würde die Wahlkommission in Deutschland machen, wenn Bsp. rauskäme, das einige von der Linkspartei zuvor in terroristische Aktivitäten verwickelt waren.

    Außerdem kann Erdogan der Wahlkommission nichts anordnen, denn er war selber leidtragender, denn er selbst hatte auch vor 9 Jahren ein Verbot der Wahlkommission bekommen.

  • K
    Kai

    Vielleicht sollten die Türken mal eine Kurdenflotille auf den Weg bringen?

  • HK
    Hejaro Kardox

    Es ist leider nichts Neues für die Türkei. Dieser Staat zeig Mal wieder wieviel Gesetzlosigkeit in diesem Land und insbesoere gegenüber den Kurden herrscht.

     

    Die Türkei zeigt ganz einfach wie immer ihr wahres Gesicht.

     

    MfG