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■ Red Bull: Der Gummibärchensaft ist legal und langweiligVon wegen Muntermacher!

Unglaublich, was da dieser Tage über die Kanäle äthert. „Wissen Sie, was Red Bull ist? – Der Bruder von Sitting Bull?“ Aua! Selten dämlich. Aber, wissen Sie, was Red Bull ist?

Da hat uns das Bundesgesundheitsministerium mal eben so um den letzten Modedrink gebracht – indem es ihn uns gegeben hat. Gluck, gluck, weg war der Trend. Die EU macht's möglich, daß das Zeugs jetzt auch bei uns zu haben ist. So heißt es im Bundesanzeiger Nr. 46 vom 8. März 1994, daß nun das Bundesgesundheitsministerium in einer Allgemeinverfügung von einer Ausnahmeregelung des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes Gebrauch mache – puh! –, nach der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedsstaaten der EU oder einem anderen Vertragsstaat des Europäischen Wirtschaftsraumes eingeführt werden dürfen – es geht noch weiter! –, auch wenn sie den lebensmittelrechtlichen Vorschriften – gemeint ist des Mutter-, Vater- und Heimatlandes BRD – nicht entsprechen. So leicht kann Beamtendeutsch sein.

Das Problem mit dem Bullenextrakt liegt in den Zusatzstoffen: Denn das Hallo-wach-Gebräu, früher gar wagemutig und, weil illegal, unter Androhung von Bußgeldern und Strafverfolgung (!) aus Österreich nach Deutschland geschmuggelt, ist eine wahre Chemo- Schleuder und überschritt als solche die deutschen Grenzwerte für Taurin, Inosit und Glucuronolacton. Dabei sind alle drei äußerst harmlos: Inosit macht die Brühe süßer, der Zungenbrecher Glucuronolacton (gesprochen: Glucuronolacton) wurde gar in der alternativen Krebsmedizin sowie als „Entgiftungsmittel“ eingesetzt, und Taurin sorgt als Geschmacksverstärker dafür, daß die Ochsenschwanzsuppe noch mehr nach Ochsenschwanz und Red Bull noch mehr nach Gummibärchensaft schmeckt.

Der Grenzwert lag da, wo die Stoffe die Grenze des technologisch Notwendigen überschritten. Soll heißen: War mehr drin, als nötig, um die Suppe zu versüßen, zu verstärken oder sonst etwas. Also landete der Stoff auf dem Index des Bundesgesundheitsministeriums. Über Sinn und Unsinn dieser Verordnung läßt sich streiten, doch das Thema ist jetzt ohnehin gegessen: Die Grenzwerte liegen exakt auf Red-Bull-Niveau. Vorbei die Zeit, in der das Zeug palettenweise vom Skiurlaub nach Deutschland gekarrt wurde. Nun darf der Energy drink endlich auch hier getrunken werden. Doch ist der Reiz des Illegalen erst mal vorbei, fällt es einem wie Schuppen vom Kopf: Eigentlich schmeckt das Zeug wie eingeschlafene Füße. Und warum es uns in die energiegeladene Daseinsform des hellen Wachens katapultieren soll, verstehe, wer will. Denn: Taurin, Inosit, Glucurono-na-Sie-wissen- schon sind zwar nicht schädlich, wirken aber auch keineswegs auf Herz und Kreislauf. Das schafft nicht einmal die beigemischte Coffein-Dröhnung. Die liegt nämlich gerade auf dem Niveau einer Tasse Filterkaffee. Hellwach macht da nur der Preis. Satte drei Mark darf man auf die Ladentheke blättern: für 250 Milliliter fade gewordener Modeerscheinung.

Freuen kann sich nur der 49jährige Österreicher Dietrich Mateschitz. Weil sein Getränk in Deutschland keinen Bullen mehr aufscheucht, hat das Energiebündel aus dem Alpenlande 12,5 Millionen Mark in die Börsen heimischer Werbeträger gelegt. Der Mann weiß, was sich lohnt – und wie man aus Gummibärchen Goldbärchen machen kann. Bei einem Jahresumsatz von 55 Millionen Mark steht er ja auch nicht allzu schlecht da. Mit Sitting Bull hat das ziemlich wenig zu tun. Abgesehen davon, daß der den Bullenaufwand eh nicht verstanden hätte. Dirk Borowski

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