■ Reaktionen zum Klingelschmitt-Kommentar : Friedensbewegung wird gebraucht
betr.: „Diese Friedensbewegung braucht keiner“ von Klaus-Peter Klingelschmitt, taz vom 16. 4. 03
Dummerweise werden Millionen von Demonstranten rund um den Globus Herrn Klingelschmitts Ansprüchen nicht gerecht. Angesichts der derzeitigen US-Politik der „präventiven Schläge“, der Androhung von atomaren Erstschlägen, der Kreuzzugmentalität ist Antiamerikanismus das Gebot der Stunde!
WOLFGANG RAPP, Bruchweiler
Aus Klaus-Peter Klingelschmitts Perspektive ist der Irakkrieg bestens gelaufen: das Land befreit, die apokalyptischen Prognosen der Friedensbewegung nicht eingetreten. Diese sei einseitig antiamerikanisch und solle nun Ruhe geben.
Diese Sicht der Dinge kann jedoch nicht über tausende Tote und Verletzte, Bombardierung von Zivilisten auch mit Streubomben, erschossene Journalisten, die katastrophale humanitäre Lage oder die Völkerrechtswidrigkeit dieses US-amerikanischen „Präventivkrieges“ hinwegtäuschen. Nicht Antiamerikanismus, sondern Protest gegen diese Wirklichkeit des Krieges ist vorherrschendes Motiv der Friedensbewegung. Sie richtet sich gegen die Politik der US-Regierung, die nicht auf die Demokratisierung des Irak, sondern die Sicherung eigener wirtschaftlicher Interessen und eine Neuordnung der gesamten Region abzielt. Daran ändert auch die Freude vieler Iraker über das Ende des Regimes nichts. Die Bewegung wehrt sich gegen eine Politik, die Diktaturen – wie in den 80er-Jahren Husseins Regime – erst aufrüstet und fördert und sie dann durch Krieg beseitigt, wenn diese nicht mehr den eigenen Interessen dienen. Die USA sind nicht der einzige kriegführende Staat. Als mit Abstand stärkste Militär- und Wirtschaftsmacht, führender Rüstungsexporteur und Produzent von Massenvernichtungswaffen heizen sie die weltweite Kriegsgefahr aber seit Jahrzehnten maßgeblich an. Ihr jetziges Vorgehen im Irak, ihre Drohungen gegen Syrien und andere beschleunigen eine Entwicklung hin zu einem permanenten globalen Kriegszustand, wogegen Millionen zu Recht protestieren.
Ruhe geben? Mitnichten. CHRISTIAN GODAU, Kiel
Herr Klingelschmitt, da Sie sicher noch nie auf einer Friedensdemo waren, zitiere ich nur als Beispiel den Aufruf vom Münchner Friedensbündnis zum Ostermarsch: „Frieden und Gerechtigkeit für alle Völker! Nein zum Krieg!“ ULRIKE SCHMIDT, Grafing
Embedded, oder was?! Die Kriege in Afrika fänden „überall ohne die Amis“ statt, schließt Herr Klingelschmitt seine Argumentation gegen die „selbstgerechte“ und „antiamerikanische“ Friedensbewegung. Ich empfehle schleunigst, sich Informationen über geheimdienstliche, rüstungspolitsche und ökonomische Verwicklungen der USA in Afrikas Konfliktregionen zu beschaffen, um zumindest die journalistische Reputation wieder zu erlangen, die mit solcherlei Behauptungen flöten geht. Die durchaus zutreffende Analyse, dass Teile der sich momentan zeigenden Friedensbewegung nicht differenzieren und ihrerseits unfriedliche Feindbilder aufbauen, soll Platz in der taz haben, aber bitte mit Niveau und nicht so. ANDREAS SCHMITZ, Hennef
Sicherlich kann der Friedensbewegung eine einseitige Sichtweise vorgeworfen werden, doch Klingelschmitt ignoriert die weltweite Verfolgung friedensbewegter Menschen. Amnesty international listete die Unterdrückung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit auf:
In Ägypten wurden friedensbewegte Menschen festgenommen und zum Teil gefoltert. In Jordanien wurden Demonstranten festgenommen und isoliert inhaftiert. In Belgien wurden KriegsgegnerInnen in Administrativhaft einer zwölfstündigen Vorbeugehaft genommen. In Großbritannien wurde das Terrorismus-Gesetz in Kraft gesetzt, um Menschen grundlos durchsuchen und überprüfen zu können. Tausende von KriegsgegnerInnen wurden auch in den USA festgenommen, und in Hamburg wurde eine Antikriegsdemo von SchülerInnen durch die Polizei brutal niedergeknüppelt.
Wenn mit solcher Vehemenz eine andere Meinung unterdrückt werden soll, muss aufgehorcht und nicht zur Ruhe ermahnt werden. Nicht zuletzt deshalb ist die Friedensbewegung notwendiger denn je. JÜRGEN KORELL, Wiesbaden