■ Reaktionen zum Interview mit Joschka Fischer : Was kann da Gutes kommen?
betr.: „Es gibt nur einen Chef: Gerhard Schröder“, „Ich begreife mich, vielleicht altersbedingt, immer noch als Linker“, taz vom 21. 2. 04
Da führt die taz seit langem wieder ein größeres Interview mit dem deutschen Außenminister, und wie wird diese Chance genutzt? Durch unreflektierte und pubertäre Fragen nach „Männerfreundschaften“ und oberflächliche Sticheleien gegen Fischers „Feminismus“! Alle politisch wirklich relevanten Fragen sind damit konsequent vermieden worden, zum Beispiel wie linke Politik wieder aus ihrer fatalen Defensivposition herauskommen soll, im Vergleich zu den Konservativen lediglich das „kleinere Übel“ zu sein. Diese und andere Möglichkeiten, das genuin Politische in den Vordergrund zu stellen, haben Sie in diesem Interview also fahrlässig zugunsten von billigem Polit- und Machtklatsch verspielt. […]
JOACHIM HORVATH, Tübingen
Joschka Fischer schickt in seinem Interview zwei spannende Thesen ist Land:
These 1: „In allen Generationen vor uns war der Krieg das Prinzip des sozialen Wandels.“ Die Kriege hatten immer Ursachen wie (Macht-)Begierden und Arbeitslosigkeit ohne Ende und als Ziele globale Ausdehnungsgelüste unterschiedlichster Arten. Das Prinzip des sozialen Wandels wurde deshalb nicht vom Krieg, sondern durch die Abstürze ihrer immer haltlosen Ziele in das vollständige Chaos, durch den Untergang aller Ordnung und Sicherheit, bestimmt.
These 2: „Jetzt durchläuft Deutschland zum ersten Mal in seiner Politik- und Wirtschaftsgeschichte eine friedliche Transformation solchen Ausmaßes.“ Unkriegerisch ist freilich nicht schon, was Politiker und Wirtschaftsbosse als friedlich deklamieren. Denn es gibt viele, sehr viele Menschen, die diese Transformation völlig unzufrieden macht, den Rentner oder die arbeitslose Mutter oder den Jugendlichen ohne Aussicht auf Lehre und Beruf. So mancher Lehrer wird sich in Bälde vielleicht verstärkt (und unter Umständen mit Verweis auf die erste These) von Schülern mit der bräunlichen Ansicht konfrontiert sehen, dass der Krieg der Vater aller Dinge sei.
Die Globalisierung lässt sich nicht ignorieren, Herr Fischer, Sie haben ja Recht! Und schon gar nicht, wenn vorwiegend die politisch geschützten Kapitaleinkommen auf der Gewinnerseite stehen. Bei zunehmender Automatisierung am Standort und bei Verlagerung der Produktion in Lohndumpingländer mit minimalem Arbeitsschutz werden ständig abnehmende Belegschaften die Hauptlasten der Solidarität nicht schultern können. Zweifelsohne. Die Politik weiß als Antwort nur: wir machen den Weg frei! Rügen Sie stattdessen öffentlich die (Groß-)Unternehmen, die sich heute nur noch über Profitsteigerungen freuen anstatt wie früher auch über wachsende Mitarbeiterzahlen! Machen Sie ernst mit Art. 14 GG „Eigentum verpflichtet“ und mit der Gestaltung des Nord-Süd-Konflikts! Nicht die Wahrnehmung der Globalisierung ist das Problem, sondern dass sich ihr die Politik in den Aufsichtsräten ganz verschreibt und mit diesem Vorwurf an ihre Kritiker in der üblichen Rhetorik aus der Verantwortung stiehlt. Deshalb die Frage: Wie kann sich mit der aktuellen Politik etwas wirklich grundsätzlich verbessern? Was kann da Gutes kommen? OTHMAR MAHLMEISTER, Wannweil
Joschka Fischer äußert, er sei stolz, seit Jahren nicht beim Arzt gewesen zu sein und in die GKV mehr eingezahlt als „herausgeholt“ zu haben. […] Einerseits hintertreibt er mit seinen Statement die Bemühungen der Doktoren, im Sinne der Früherkennung und damit auch der Kostenersparnis entsprechende Früherkennungs- und Vorsorgeuntersuchungen bei Männern – und Frauen – zu propagieren. Warum tut der Grünen-Politiker das? Er vermeint ein Machobild von sich zu transportieren, nach dem Motto: „Ein Indianer kennt keinen Schmerz.“ Ein überholtes Rollenklischee im Hemmingway’schen Sinne, das z. B. Alice Schwarzer insgesamt bei der Generation Schröder kritisiert – und bei allen, die noch unter dessen Einfluss stehen.
Zum anderen: Mit seinen Äußerungen stellt er Arztbesuche unter einen Generalverdacht des denkbaren Sozialschmarotzertums, denn jeder sollte nach seiner Logik ja danach streben, aus den Sozialkassen nicht mehr zu entnehmen, als er einzahlte. Mit seinem billigem Populismus […] denunziert Herr Fischer, der „Linke“, diejenigen Schwerkranken und Chroniker, die es sich bei Gott nicht ausgesucht haben, häufig zum Arzt gehen zu müssen. […]
JOHANNES DREISCHENKEMPER, Gladbeck
Unser Vizekanzler und Außenminister sollte sich darum bemühen, schnellstmöglich einen medizinischen Check-up bei sich durchführen zu lassen und dafür zweimal im Jahr 10 Euro übrig zu haben. Wenig ist manchmal mehr, aber überhaupt nicht zum Arzt zu gehen kann fatale gesundheitliche Folgen haben und ist nahezu fahrlässig.
ERIKA SCHMIDT-BEHRENS, Frankfurt/Main