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Rassismus-VorwurfBVG prügelt sich mit Roma

Sicherheitsbeamte der BVG sollen eine Gruppe Roma in Berlin-Kreuzberg verprügelt haben. Die Polizei sieht die Schuld dagegen bei den Rumänen. Ein Zeuge ist empört.

Kein Platz für Scheibenwischer: Der U-Bahnhof Kottbusser Tor in Kreuzberg Bild: AP

Zwei Sicherheitsbeamten der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) wird vorgeworfen, eine Gruppe von Roma am Pfingstmontag angegriffen und verprügelt zu haben. Nach Aussage des Kreuzberger Sozialarbeiters Ercan Yasaroglu, der das Geschehen zufällig beobachtet hat, attackierten zwei BVG-Sicherheitsleute kurz nach 12 Uhr einen jungen Rom an einer Bushaltestelle am Kottbusser Tor. "Die Gruppe hatte am Kotti Autofensterscheiben geputzt. Sie wurde zunächst von BVG-Beamten rassistisch beleidigt und angeschrien, später auch angegriffen", sagt Yasaroglu am Dienstag der taz. Die BVG-Männer seien zuvor aus dem U-Bahnhof gestürmt und auf die Roma losgegangen. Wahrscheinlich um die unliebsamen Fensterputzer von der Kreuzung am Kotti zu vertreiben, vermutet er.

Die Polizei ordnet den Vorfall dagegen völlig anders ein. In einer am Dienstag veröffentlichten Pressemitteilung heißt es, dass zwei Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes der BVG von einer Gruppe Autofensterputzern attackiert und verletzt worden seien. Nachdem die Polizei von einem Autofahrer alarmiert worden sei, weil dieser von den "Fensterputzern belästigt wurde", soll sich die etwa zehnköpfige Roma-Gruppe an die Bushaltestelle in der Skalitzer Straße begeben haben. "Dort kam es zu einem Wortgefecht zwischen ihnen und zwei BVG-Beamten. Im weiteren Verlauf schlugen zwei Männer sowie eine 25-Jährige auf die beiden Wachleute ein", so die Polizei. Dabei soll ein Sicherheitsbeamter leicht verletzt worden sein, der andere einen Nasenbeinbruch erlitten haben.

Ein junger Rom und die 25-jährige Frau wurden vorläufig festgenommen, kamen aber am Dienstag wieder auf freien Fuß. Ein 17-jähriger Rom erstattete später Anzeige wegen Körperverletzung, die Polizei ermittelt daher auch gegen einen der BVG-Beamten. "Was da genau im Vorfeld abgelaufen ist, dazu können wir momentan noch nichts sagen", so Polizeisprecher Michael Gassen zur taz.

Dass die Polizei die Roma in ihrer Pressemitteilung beschuldigt, die BVG-Beamten zuerst angegriffen zu haben, sei "hinterhältig und eine dreiste Lüge", sagt Ercan Yasaroglu. "Die Attacke ging eindeutig von den BVG-Leuten aus, das haben auch andere Augenzeugen so gesehen", erklärt er. Nachdem die BVG-Beamten den jungen Rumänen angegriffen hatten, sei eine junge, schwangere Romni zur Hilfe gekommen und auf den Rücken des Sicherheitsbeamten gesprungen. Dieser habe die Frau rüde ins Gesicht geschlagen und zu Boden gedrückt. Yasaroglu selbst hat als Augenzeuge vor der Polizei ausgesagt, nichts davon finde sich in der Darstellung der Polizei, sagt der Sozialarbeiter. Auch nicht, dass die beiden angegriffenen Roma verletzt wurden.

"Die Polizei muss bei solchen hastigen, voreiligen Schuldzuweisungen vorsichtig sein. Das klären bei uns immer noch die Richter", sagt Barbara Seid, Fraktionsmitglied der Linkspartei in der Bezirksverordnetenversammlung Friedrichshain-Kreuzberg. Sie traf kurz nach der Auseinandersetzung am Kotti ein. Weder die Roma noch die BVG-Beamten seien "harmlose Lämmer". Es müsse jetzt aber erst einmal ordentlich ermittelt werden, wer wen zuerst angegriffen hat.

Der Hamburger Roma-Sprecher Dzoni Sichelschmidt (siehe unten) kam Montagmittag kurz nach dem Vorfall zufällig am Kottbusser Tor vorbei und versuchte, zwischen Polizei und den aufgebrachten Roma zu vermitteln. "Die Sicherheitsleute haben einfach ihren rassistischen Gefühlen freien Lauf gelassen", vermutet er gegenüber der taz. Wenn man die BVG-Beamten sehe, dann käme man mit Sicherheit nicht auf die Idee, diese anzugreifen. "Aber das ist typisch: Angriff als Verteidigung."

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11 Kommentare

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  • D
    denninger

    Aber, aber, "Stefan P," woher willst Du denn wissen, das wirklich ein rumänischer Rom Dein KFZ lädiert hat? Vielleicht war es ja ein abgestürzter Bankkaufmann aus Villingen-Schwenningen? (SCNR)

    Was Deinen Fahrzeugschaden betrifft kann ich nur tröstend sagen: "Willkommen im Club!" (Abgerissener Seitenspiegel weil ich nicht für die "Einparkhilfe" bezahlen wollte.

    Manche bösen Zeitgenossen versichern uns jetzt sicherlich sarkastisch, das sei nun einmal der Preis für das multikulturelle Zusammenleben. Aber darauf werden wir uns ja nicht einlassen, gell?

  • SP
    Stefan P.

    Auch ich habe schlechte Erfahrung mit rumänischen Fensterputzern machen dürfen. Als ich an der Ampel denen zu verstehen gab, dass ich keine Fenster geputzt haben möchte, schlug beim Anfahren einer der Roma mit seinem Wischmob mit voller Wucht auf meinen Kofferraum. Dort ist der Lack abgeplatzt und eine tiefe Delle drin.

    Ich bin folglich über deren Aufenthalt in Berlin wenig begeistert und wünsche mir, dass diese Menschen schleunigst dorthin zurückgehen, wo sie hergekommen sind!

  • G
    grafinger

    Welch Zufall aber auch:

    Der "Roma-Sprecher Dzoni Sichelschmidt ... kam Montagmittag kurz nach dem Vorfall zufällig am Kottbusser Tor vorbei und versuchte, zwischen Polizei und den aufgebrachten Roma zu vermitteln."

    Natürlich "vermutet" er, seine Leute seien unschuldige Opfer, denn "wenn man die BVG-Beamten sehe, dann käme man mit Sicherheit nicht auf die Idee, diese anzugreifen."

    Und wieso werden diese dann täglich attackiert?

    Er weis auch weiter: "Aber das ist typisch: Angriff als Verteidigung."

    Ein wahrer Satz. Er gilt auch in Bezug auf Roma.

  • BW
    Burkhart Wallmann

    Die Neuauflage eines ALTES Problemes, Zuwanderer oder Gäste wie auch immer, es gibt wie in jedem anderen Land, auch hier in Deutschland Regeln und ein respektvolles miteinander ist Grundvoraussetzung für ein friedliches Leben, ich denke die Roma tun sich keinen Gefallen wenn sie wie verrückt über die Autofahrer herfallen und wenn diese eine Fensterreinigung ausdrücklich ablehnen auch noch richtig frech zu werden, was soll das? und was kommt danach? immer wegschauen und links vorbeiradeln bringt unserer Demokratie nichts!

     

    Oder wird das womöglich noch absichtlich geduldet um Stimmung zu machen, billige Bauernopfer, habt ihr da nicht rot rot im Senat, solls da in Berlin mit aller Gewalt wieder braun werden?

     

    Bekommen die Sozis den gar nix mehr gebacken?

  • D
    denninger

    Liebe taz,

    könnt Ihr bitte mal den Artikel richtig stellen. Die Sicherheitskräfte der BVG sind keine Beamte, sie gehören einem privaten Sicherheitsdienst an.

    Da einige, der Jurisprudenz nicht sehr nahe stehenden Kommentatoren Zweifel an der Rechtmäßigkeit jedweden Einschreitens von Privatpersonen bei Delikten hegen sei einmal auf §127 StPO hingewiesen.

  • M
    Max

    Früher hab ich auch tendenziell der Polizei geglaubt... mittlerweile wurde ich eines besseren belehrt, und glaube einfach gar nicht mehr!

  • CL
    Carla Lediger

    Das ist Alltag in Kreuzberg, Neuköln usw.: Faschisten und Rassisten, die sich als BVG-Wachpersonal austoben und rechtsradikale Polizisten, die sich als Besatzungsarmee der Herrenrasse fühlen und benehmen. Das ist für Menschen die hier leben Alltag. Am Samstag der Überfall auf den multikulturellen Karneval, jetzt das mit den Roma... es gibt doch fast täglich Beweise dafür. Das ist der Grund für die Randale und sie wird ganz sich noch sehr zunehmen in der nächsten Zeit. Die Menschen hier haben einfach die Schnauze voll von der rassistischen Polizei. Und dass die Berliner Polizei stark rechtsradikal und rassistisch geprägt ist, ist ja auch dem Senat bekannt. Oder warum muss die Berliner Polizei eine Direktive erlassen, die es den Beamten verbietet bei der Arbeit rechtsradikale Kleidung zu tragen? Das ist doch wohl der Hohn! Anstatt sich um die Unvereinbarkeit von faschistischem Gedankengut und der Aufgabe der Polizei zu sorgen, wird einfach das zur Schau stellen des Gedankegutes verbote. Körting zurücktreten!

  • G
    Gilbert

    Mal ganz im Ernst, ich glaub da doch eher der Polizei als irgendwelchen native-Kreuzbergern, die es eh nicht so mit der Polizei halten...

  • F
    FREDERICO

    Um als uniformgeiler zu den grün kostümierten zu kommen, muss man ja nicht wirklich vor Intelligenz strotzen, Rechtschreibkenntnisse sind auch nicht wirklich gefragt, am besten ist immer noch Vitamin B (Beziehungen). Das das geistige Niveau dieser privaten Sicherheitstypen primär in der Muskulatur beheimatet ist, sollte auch hinlänglich bekannt sein.

    Der klassische Korpgeist hat doch hier wieder Oberhand gewonnen, wie so oft. Die „Wahrheit“ hat sicherlich hier wenig Chancen, aber was mich wundert ist, dass solche „Privatfritzen“ die für Ordnung bei der BVG vom Fahrgast und Steuerzahler finanziert werden, sich plötzlich zu Ordnungshütern im öffentlichen Straßenland herauf schwingen. Da sollte die Polizei sofort einschreiten, aber die geben diesen möchte gern Hilfsscherriffs ja noch recht.

    Womöglich müssen wir 120 Jahre Verfassung feiern bis gewisse Regeln auch zur Exekutiven durchgedrungen sind, leider auch zur Judikativen, denn die nehmen absolut kritiklos jede aus dem Korpgeist geborene Unwahrheit hin.

  • C
    celanchen

    egal was genau vorgefallen ist; es fällt nicht schwer zu glauben, dass die "bvg - beamten" gerne mal rassistisch und übergriffig werden. wer erlebt wie diese leute in der öffentlichkeit auftreten, den wundert ein solcher vorfall nur bedingt.

     

    verwunderlich auch nicht, wie die polizei zwar den moderator gibt, jedoch die schuld ganz klar bei den roma sucht und das dann auch noch als pressemitteilung rausgibt, damit bloß nicht der verdacht einer rassistischen tat aufkommt, welche dann auch noch sehr wertend ausfällt. es soll wohl ein gewisses bild der roma kreiert werden. eine verurteilung vor dem prozess; wie unparteiisch die polizei doch ist.

  • J
    JensWedding

    Man muss das sicherlich erstmal ermitteln. Der Artikel im Tagesspiegel gibt beispielsweise die Darstellung der Polizei wieder und liest sich völlig anders.

     

    Aber liebe taz: der Richtigkeit halber möchte ich doch dringend darauf hinweisen, dass es sich nicht um "BVG-Beamte" sondern um unterbezahlte Angestellte einer privaten Sicherheitsfirma handelt.

     

    Fest steht auf jeden Fall auch, dass die Fensterputzer in der Tat manchmal sehr unangenehm und frech vorgehen; andererseits ist aber auch auf der Gegenseite ein Fehlverhalten nicht auszuschließen.

     

    Aber man sieht hier wieder, aus was für grund verschiedenen Perspektiven man ein und denselben Vorfall betrachten kann...