RTL zeigt Handball: Hallegalli mit Ball
RTL überträgt erstmals die Handball-WM und will den Hallensport zum Event ausbauen - wie einst die "Formel 1 des Winters", das Skispringen.
Martialische Klänge untermalen den Kampf der Heroen in weißen Hemden: Sie werfen, halten und verzerren ihre Gesichter vor lauter Schmerz. So preist RTL die Wettkämpfe der Handball-WM an. Gladiatorengleich soll der amtierende Weltmeister dieses Jahr in Kroatien die Krone des Handballs verteidigen. Im Trailer wird viel gejubelt, doch ob der reale Kampf von ähnlichem Jubel begleitet sein wird wie 2007, als das deutsche Team im eigenen Land Weltmeister wurde, ist genauso ungewiss wie die Quotenentwicklung bei RTL.
Vor zwei Jahren hatte das Finale der Handball-WM in der Spitze über 20 Millionen Zuschauer vor die Fernseher gelockt. Die ARD verbuchte einen Marktanteil von über 58 Prozent. Die höchste TV-Quote des Jahres war somit schon Anfang Februar erreicht. Die Latte hängt also hoch. "Wir wissen um Chancen und Risiken", sagt RTL-Sprecher Matthias Bolhöfer, "und wir wissen, dass unser Erfolg mit den Leistungen der deutschen Mannschaft steht und fällt". Am Samstag, beim Auftakt-Unentschieden gegen Russland, sahen immerhin fast fünf Millionen Menschen zu - ein Marktanteil von 21 Prozent.
Doch der Trend der Handballer zeigt spätestens seit dem Vorrundenaus bei den Olympischen Spielen in Peking nach unten. Die Stimmung der Mannschaft gegenüber hat sich eingetrübt .
Hat RTL zu spät auf das Pferd "Handball" gesetzt? Immerhin 6 Millionen Euro, sechsmal so viel wie die Öffentlich-Rechtlichen bei der letzten WM für die Übertragungsrechte zahlten, soll die Kölner Gruppe auf den Galopper des Jahres 2007 gesetzt haben. Und der soll perfekt in Szene gesetzt werden: Neue Perspektiven, wie sie die fliegende Kamera über dem Spielfeld, eine Torkamera sowie eine Superzeitlupe bieten, sollen das Spiel anschaulicher machen. Beim Auftakt gegen Russland geizte RTL nicht mit den neuen Einstellungen: "Wer RTL kennt, weiß, dass wir Sport als Event inszenieren und keine halben Sachen machen", sagt Bolhöfer.
Keine halben Sachen machte der Kölner Sender auch beim Skispringen. 1999 hatte sich RTL die Rechte an den Wettbewerben um Martin Schmitt und Sven Hannawald gesichert. Zu einer "Formel 1 des Winters" wollte Senderchef Hans Mahr das Springen ausbauen. Auch damals wurde für neue Kameras und viel Getrommel rund um den Sport gesorgt. 200 Millionen Mark ließ sich RTL die Übertragungsrechte für acht Jahre kosten. Doch die Rechnung ging nicht lange auf. Zwar flog Sven Hannawald 2002 zu seinem Vierschanzentournee-Rekord, bei dem über 13 Millionen Zuschauer zusahen. Doch zwei Jahre später stürzte Hannawald ab - und mit ihm das Skispringen.
Trotz der Cross-Vermarktung über Computerspiele, trotz der Moderationsmaschine Günther Jauch, trotz des omnipräsenten Martin Schmitt als Bubi der Nation: In der letzten RTL-Saison 2007 schauten nur noch 4,8 Millionen Menschen zu. RTL sprang ab: keine deutschen Erfolge, keine Quote.
Diese simple Rechnung gilt auch für den Handball. Immerhin garantiert der Modus der Weltmeisterschaft RTL noch mindestens drei Spiele mit deutscher Beteiligung. Was da auf den Zuschauer zukommen wird, offenbarte der vergangene Samstag: Marco Schreyl, der Allzweckmoderator, führte durch das Programm, Markus Baur, der Weltmeister von 2007, lieferte die Expertisen. Bei diesem Duo will RTL "seine eigene Handschrift" präsentieren: Schreyl und Baur sollen "unkonventioneller sein", erklärt Bolhöfer, "und auch von Orten moderieren, die man nicht erwartet". Am Samstag war das die Aufwärmhalle der deutschen Mannschaft. Bolhöfers Vorbild: "Wie Günther Jauch und Dieter Thoma einst aus einer Innsbrucker Straßenbahn heraus einen Wettkampf anmoderierten". Damals, beim Skispringen.
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