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Archiv-Artikel

RTL 2, BERTELSMANN, DR. THEO SOMMER, „ZEIT“, HAJO SCHUMACHER Sexuelle Probleme und ein politischer Segeltörn

Hallo taz-Medienredaktion! Ich muss heute mal eine Lanze brechen. Für die ewigen Bösen. Die, die sich nicht befreien können vom Ruf, Schlechtes über die Welt gebracht zu haben. Die Serben, die Katholiken, RTL 2. Nehmen wir RTL 2, den Serben unter den Fernsehsendern. Die haben eine interessante Programmidee und schon geraten sie unter Beschuss: Der Sender, der zum guten Viertel zu Bertelsmann gehört, sucht Mütter und Väter, die im Fernsehen über die sexuellen Probleme ihrer Kinder sprechen möchten.

Nun fragt man sich, wieso die Eltern davon Kenntnis haben sollten? Sind heutige Eltern dabei, wenn Luca und Annalena sich in Pornostellungen üben? Und warum sollten Erziehungsberechtigte darüber reden statt der Kinder? Und was hat die Brut davon, wenn Dennis und Denise im Fernsehen die Peniskrümmung ihres Jüngsten erörtern? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass aus den beknacktesten Ideen oft die besten entstehen. Und so muss man das vielleicht als Brainstorming verstehen, an dessen Ende ein ganz neuer Sender stehen könnte, der dem Bertelsmann-Imperium im 175-Jubeljahr das Krönchen aufsetzt: RTL-Suizid. Ein 24-Stunden-Kanal, live jene begleitend, die vor Kollaps und Klapse stehen, weil sie von RTL bloßgestellt wurden. RTL 2 könnte dabei sein, wenn die Vorgeführten die passende Bahnstrecke aussuchen oder in der Therapiesitzung zusammenbrechen. Man könnte Strickfachgeschäfte empfehlen oder das Format „Is geritzt!“ etablieren, die Sendung für Autoaggressive.

Ach, ich freu mich so, an diesem kalten Wintertag so konstruktive Gedanken zu haben, die ich RTL gern zur Verfügung stelle. Auch ganz warm wird mir, wenn ich daran denke, was sich die Zeit schon wieder ausgedacht hat. Eigentlich wollte ich darüber nicht mehr schreiben, denn ich bin, ehrlich gesagt, immer noch beleidigt, weil ich ja die Uhr nicht bekommen habe, die man mir für meine Teilnahme an einer Internetumfrage versprochen hatte. Aber bei dem, was die sich jetzt ausgedacht haben, kann ich gar nicht anders.

Also: wieder eine Internetbefragung. Dieses Mal mit der großartigen Möglichkeit, an einer Verlosung teilzunehmen. Und was gibt es da zu gewinnen? Einen Segeltörn. Ja, super, werdet ihr langweiligen Liegeradfahrer jetzt sagen. Aber das Beste kommt noch: „Begleitet wird die Reise von Dr. Theo Sommer, langjähriger Chefredakteur der Zeit“. Das find ich super! Draußen tobt der Sturm und wir Gewinner unter Deck mit Käpt’n Blaubär. Oder Käpt’n Sommer, der aus dem Buch „Theos Gruselleitartikel“ liest. Denn warum sollte der sonst mitkommen? Zur Wettervorhersage? Vielleicht singt er auch? So wie Ina Müller und Roger Cicero auf „Mein Schiff“? Ich hab mal angerufen. Es ist leider viel langweiliger. Es gibt Vorträge über die Politik des Ostseeraums.

Ehrlich gesagt, ich bin etwas enttäuscht. Und auch die Idee von Hajo Schumacher, dem Jack-in-the-Box des Journalismus, kann meine Laune nicht wieder hochbringen. „Wenn sich alle Medienschaffende, feste wie freie, drei neue, voll bezahlte Abos gönnen“, wäre unsere Zunft gerettet. Wie bestechend! Und wie schmerzhaft, wieder an Allem schuld zu sein. Drei Abos, voll bezahlen. Wo doch viele Freie schon kaum mehr ihr Unterhaltsabo bezahlen können. Aber vielleicht sind wir auch zu jammerig und sollten lieber wie Hajo der Macher vorpreschen und bei allem dabei sein. Talkshows, Moderationen, Pressesprecherseminare, Sportklamotten verkaufen, Kalender rausbringen. Mit neuem Mut zur Ego-AG zurück nach Berlin!