ROT-SCHWARZ REGIERT IN BRANDENBURG – UND DAS IST FOLGERICHTIG : Die SPD in der neuen Mitte
Den Termin hätte sich der PDS-Chef sparen können. Als Lothar Bisky am Donnerstag zu Sondierungsgesprächen mit der SPD nach Potsdam fuhr, stand der Entschluss des brandenburgischen Ministerpräsidenten ohnehin längst fest. Matthias Platzeck will die Koalition mit dem Christdemokraten Jörg Schönbohm fortsetzen. Und er hat Recht. Kein Thema polarisierte im Wahlkampf so sehr wie Hartz IV. Die extremen Gegenpole markierten in dieser Frage Platzecks SPD und Biskys PDS. Eine große Koalition über diese Lagergrenze hinweg hätte die Wähler wahrlich verhöhnt.
In Brandenburg wie auch in Sachsen bildet die SPD mit der CDU also eine kleine Koalition, die nur eine vergleichsweise knappe Mehrheit der Wähler repräsentiert. Anders als das Gerede von der Koalition der Wahlverlierer suggeriert, wäre das für sich genommen nicht so schlimm. In einem funktionierenden politischen System würde man mit Konrad Adenauer und Gerhard Schröder sagen: Mehrheit ist Mehrheit.
Im Westen sind die Lager inzwischen wieder fest gefügt: Rot-Grün hier, Schwarz-Gelb dort. Ein Regierungswechsel gestaltet sich, wie zuletzt in Niedersachsen, als bloße Rechenaufgabe. Doch diese simple Lagerlogik funktioniert im Osten nicht. Weil es in Ostdeutschland dagegen gleich drei große Volksparteien gibt, ist dem Wähler der Einfluss auf die Regierungsbildung weitgehend entzogen. Der SPD kommt in diesem System die Rolle zu, die in der alten Bundesrepublik einst die FDP spielte. Sie ist mit beiden Parteien koalitionsfähig und sitzt deshalb fast überall in der Regierung. Sie teilt dabei freilich auch das Schicksal der Liberalen, dass sie die Fünfprozenthürde – siehe Sachsen – von Wahl zu Wahl immer knapper überschreitet.
Die niedrige Wahlbeteiligung im Osten ist also, anders als viele im Westen glauben, nicht nur auf diffuse Frustgefühle zurückzuführen. Es entspringt einem ganz rationalen Kalkül: Der SPD-Wähler im Osten etwa weiß bei Landtagswahlen in der Tat kaum, ob er nun Rot-Rot oder Schwarz-Rot an die Macht hilft. Wenn die Alternativen klarer sind, wie bei der Bundestagswahl, strömen auch die Ostdeutschen wieder zahlreich an die Urnen.
RALPH BOLLMANN