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Archiv-Artikel

ROBIN ALEXANDER über SCHICKSAL Die Nummer im Supermarkt

Die schönste Sache meines Samstags: Einkaufen. Ein Flirt zwischen fettreduzierter H-Milch und Rollmöpsen im Glas

Sie trägt den roten Minirock/

Und sie ist immer nett zu mir/

Manchmal bescheißt sie mit dem Wechselgeld/

Sie ist das Mädchen von Kasse vier.

Die Ärzte

Einkaufen ist eine klasse Sache: Und damit meine ich jetzt nicht den Edel-Konsum. So Sex-and-the-City-mäßiges Handtäschchen von Gucci aussuchen, Schühchen von Versace anprobieren, mit der Kreditkarte herumfuchteln, anschließend lecker Essen gehen und vögeln. Nee, hier ist (leider) nicht Shoppen gemeint, sondern echtes Einkaufen. Ganz schlichtes plusaldilidlmäßiges Besorgen: Lebensmittel, Toilettenartikel und Putzzeug.

Das hat auch seinen Reiz: Während beim Shoppen das Besondere, Teure, scheinbar Exklusive zelebriert wird, genießt man beim Einkaufen das Normale. Die meisten Leute kaufen immer im gleichen Supermarkt immer die gleichen Waren. Dabei müssen sie nicht groß nachdenken und ihr Gehirn wird gleichzeitig noch von seichter Musik eingeschläfert. Einkaufen ist ein bisschen wie Spülen und dabei Radio hören. Nur die Hände werden nicht so angenehm warm.

Anders als beim Spülen, kann man beim Einkaufen aber auch etwas erleben. Samstagmorgen bei Kaufland etwa: Meine Waren fahren friedlich auf dem Laufband Richtung Kasse. Aber statt stupide einen Strichcode nach dem anderen vor das Lesegerät zu halten, blickt die Kassiererin auf, lächelt mich an und fragt:

– „Darf ich Ihre Nummer haben?“

Ich dachte: Mich trifft der Schlag. Das gibt es doch gar nicht. Nicht, dass die Kassiererin eine so auffällige Erscheinung wäre. Ehrlich gesagt: Sie ist mir bis dahin noch überhaupt nicht aufgefallen. Jetzt gucke ich sie mir natürlich genauer an. Von oben nach unten. Das geht bei Kassiererinnen schnell, denn man kommt ja nur bis auf Gürtelhöhe, wenn eine hinter der Kasse sitzt.

Diese hier trägt ein Kopftuch. Das ist üblich bei den jungen Frauen in meinem Stadtteil. Ihre Nase hätte man früher sephardisch genannt. Eine Türkin, wie das Namensschild an ihrem Kittel verrät. Und sie fragt mich nach meiner Nummer.

Einfach so. Wir haben uns, glaube ich, noch nie gesehen. Obwohl ich oft hier bin: genau einmal pro Woche. Samstag ist der einzige Tag, an dem ich so gut wie nie arbeiten muss. Und ich verbringe ihn immer gleich. Am frühen Mittag mache ich Besorgungen, damit ich am Nachmittag Fußball im Radio hören und dabei die Wohnung putzen kann. Ja, ich führe schon ein verwegenes Leben. Ein Freund, der mich einmal dringend erreichen wollte, hat Samstagmittag bei Kaufland angerufen und versucht, mich ausrufen lassen. Haben die aber nicht gemacht. Weil, da könnte ja jeder kommen.

– „Entschuldigung, krieg ich nun Ihre Nummer?“, sagt sie jetzt noch einmal.

Ich bin begeistert. Das ist mehr, als man zu hoffen wa- gen darf: ein echtes Lächeln zwischen Tetrapacks fettreduzierter H-Mich. Ein tiefer Blick zwischen Gemüse-Sticks und Rollmöpsen im Glas. Ein Mensch im Betrieb. Ein Flirt im Supermarkt, das ist wirklich das wah- re Leben im Falschen. Ich sage also:

– „Meine Nummer ist 25 90 23 35.“

Sie ist kurz perplex. Dann sagt sie lächelnd:

– „Nein, äh, nicht die Telefonnummer. Sondern die Wagennummer. Jeder Einkaufswagen hat neuerdings eine Nummer, die wir immer in die Kasse eingeben müssen. Damit werden die Bewegungen der Kunden analysiert.“

– „Oh“, sagte ich traurig.

Konnte man mit Tante Emma noch flirten? kolumne@taz.de

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