piwik no script img

Archiv-Artikel

RISKANTE ANKLAGEN IN DEN HAAG WEGEN DER VERBRECHEN IM SUDAN Von Völkermord ist vorerst keine Rede

Es gibt sicherlich mehr als zwei Verantwortliche für den grauenhaften Vernichtungskrieg des sudanesischen Staates in Darfur. Und es gibt dabei sicherlich mehr Verbrechen als Angriffe auf vier Dörfer. Dennoch ist die Klageschrift, die der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs gestern in Den Haag vorgelegt hat, ein guter Anfang zur juristischen Aufarbeitung des weltweit wohl brutalsten Krieges der letzten Jahre. Staatsminister Ahmad Muhammad Harun und Milizenführer Ali Kushayb und die Angriffe auf die Gemeinden Mukjar, Bindisi, Arawala und Kodoom stehen beispielhaft für die mittlere Leitungsebene der Tötungsmaschinerie, mit der Sudans Staatsapparat ab 2003 die planmäßige Vertreibung oder gar Vernichtung von Teilen der Bevölkerung von Darfur organisierte. Und der Chefankläger hat sich streng an gut dokumentierte und belegte Verbrechen gehalten und sich schwer zu beweisenden Mutmaßungen über das genaue Ausmaß der Verantwortung der politisch-militärischen Führung des Sudan enthalten.

Dadurch ist die Klage eine Geste des guten Willens gegenüber der sudanesischen Regierung. Seht doch, wir halten uns zurück, lautet die Botschaft; wir verlangen lediglich die Auslieferung zweier Verbrecher, deren Strafverfolgung sogar der Aufpolierung des lädierten Images von Sudans Regierung dienen könnte.

Wie meistens bei Gesten des guten Willens gegenüber der sudanesischen Regierung aber droht auch diese, nach hinten loszugehen. Die Regierung in Khartum hat bereits ihre Haltung bekräftigt, wonach der Internationale Strafgerichtshof in Darfur nichts zu suchen hat. Dafür kann Khartum jetzt eher behaupten, die internationalen Ermittlungen hätten eben nicht mehr zutage gebracht als eben diese eine personell, räumlich und zeitlich extrem eng gefasste Anklage. Von einem Völkermord in Darfur, geplant und ausgeführt von der Staatsspitze des Sudan, ist schließlich keine Rede mehr. So könnte sich die internationale Zurückhaltung noch rächen, wenn Khartum bei seiner harten Linie bleibt. DOMINIC JOHNSON