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Archiv-Artikel

REINER WANDLER ÜBER DAS GESCHEITERTE ABTREIBUNGSVERBOT IN SPANIEN Noch immer keine freie Wahl

Spaniens Konservative berufen sich gerne auf die „schweigende Mehrheit“: Man regiere im Interesse aller, auch derer, die nicht an den großen sozialen Protesten teilnähmen, erklärt Ministerpräsident Mariano Rajoy immer wieder. Jetzt ist er genau über diese schweigende Mehrheit gestolpert.

Rajoy musste die geplante Verschärfung des Abtreibungsrechtes für immer in den Schubladen verschwinden lassen; und der Justizminister, der sie ausgearbeitet hatte, nahm seinen Hut. Drei Viertel der Spanier sprach sich in Umfragen immer wieder gegen eine Verschärfung – die fast einem völligen Verbot gleichgekommen wäre – aus. Rajoy versucht mit der Rücknahme des Gesetzes die politische Mitte zu beschwichtigen. Seit dem schlechten Abschneiden seiner Partido Popular bei den Europawahlen fürchtet er um die Wiederwahl und will nicht noch weitere Gründe für Unmut liefern.

Es ist ein Sieg für die Frauenbewegung, die von Anfang an gegen die Pläne mobilmachte. Die Fristenregelung wird beibehalten. Noch liegt diese beim Verfassungsgericht zur endgültigen Begutachtung.

Reformbedarf besteht aber weiterhin. Denn einen Punkt der gescheiterten Reform will die Regierung umsetzen. Frauen unter 18 müssen für einen Schwangerschaftsabbruch die Einwilligung ihrer Eltern vorlegen. Bisher ist dies ab 16 Jahren nicht nötig. Dies ist eine Entmündigung junger Frauen.

Außerdem ist Spanien auch mit der Fristenregelung aus dem Jahr 2010 weit von der freien und kostenlosen Abtreibung entfernt. Den Ärzten wird das Recht auf Verweigerung aus Gewissensgründen zugestanden. In vielen Regionen gibt es kaum ein öffentliches Krankenhaus, an das sich Frauen wenden können. Sie müssen eine Privatklinik aufsuchen und das ist mit hohen Kosten verbunden.

Ausland Seite 10