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REFERENDUM: SPANIEN DRÄNGELT INS EU-FÜHRUNGSTRIO Optionen für die Zeit nach Blair

Das spanische Referendum für die EU-Verfassung war erfolgreich. Doch es wirkte wie ein Wettrennen, bei dem nur ein einziger Athlet auf der Bahn ist. Nichts konnte schief gehen. Dennoch wollte Regierungschef Zapatero auf den eigentlich unnützen Urnengang nicht verzichten, denn er verspricht sich davon hohen Nutzen.

Nutzen für Europa: In den nächsten Monaten werden diverse andere Länder zu Volksabstimmungen schreiten, Länder, deren Wähler weit weniger europabegeistert sind als die Spanier. In Frankreich, erst recht in Großbritannien, ist ein Ja zur EU-Verfassung keineswegs ausgemacht. Setzte sich in nur einem der beiden Länder die Ablehnungsfront durch, hätte dies Konsequenzen für die EU: Ein Nein der Briten hieße womöglich ein Europa ohne die Insel, ein Nein der Franzosen hieße sicher ein Europa ohne Verfassung. Da wollte Spanien ein wenig mitmischen, mit dezenter Wahlkampfhilfe für die „Europäer“ in London und Paris.

Nutzen soll der Einsatz aber auch Spanien: Direkt nach Bekanntgabe des Referendumsergebnisses nämlich meldete sich Zapatero ziemlich undezent zu Wort, verkündete, dass alle Nein-Länder automatisch draußen seien aus der EU. So redet keiner, der bloß eine Randprovinz Europas regiert: Mit seinem Machtwort reklamiert der spanische Regierungschef einen Platz am Tisch der Großen in der Union. Und mal angenommen, die Briten steigen wirklich aus: Wäre dann nicht gar ein Europa denkbar, in dem Spanien mit Frankreich und Deutschland das neue Führungstrio bildet?

In dieser Perspektive entpuppt sich das Verfassungsreferendum als Teil eines sehr realen Wettbewerbs. Die italienische Regierung zeigt sich wenig begeistert vom spanischen Ja – und das, obwohl Italiens Parlament mit der übergroßen Mehrheit der Regierungs- wie der Oppositionsparteien die EU-Verfassung durchwinken wird. Nicht erst seit Zapatero muss Italien sich ernsthaft Sorgen machen um die seit je reklamierte Rolle als einer der vier „Großen“ der EU. Doch seit dem letzten Sonntag verdichtet sich die Angst vor dem romanischen Rivalen. Nicht von ungefähr: Zapatero macht in Europa Schlagzeilen mit seiner Volksabstimmung, Berlusconi bloß mit Skandalen. MICHAEL BRAUN