RECHTE UND LINKE PARTEISTRATEGEN SPALTEN SPANIEN IN ZWEI LAGER : Zukunftsfragen brauchen breiten Konsens
Spaniens Rechte hat die Straße entdeckt. Die konservative Opposition versteht es, ihre Anhänger ständig zu politisieren und zu mobilisieren: gegen Verhandlungen mit der ETA, gegen die Homoehe und jetzt gegen die Bildungsreform. Die sozialistische Minderheitsregierung von José Luis Zapatero lässt sich davon nicht beeindrucken. Er wendet seine PSOE nach links und stimmt die PP im Parlament zusammen mit Postkommunisten, Nationalisten und Regionalisten nieder. Spanien ist in zwei Lager gespalten wie schon lange nicht mehr. Beide Seiten werfen dem Gegner vor, Fronten zu schmieden wie einst in der Republik der Dreißigerjahre, die im Bürgerkrieg unterging.
Sowohl PP als auch PSOE versprechen sich von dieser Inszenierung einen Sieg bei den nächsten Wahlen. Dabei haben die Parteistrategen den Urnengang vom 14. März 2004 im Kopf: Nach den Anschlägen in Madrid am 11. März suchte die damalige konservative Regierung die Täter selbst dann noch in Kreisen der ETA, als alles auf al-Qaida und damit auf einen Zusammenhang mit der unpopulären spanischen Beteiligung am Irakkrieg hindeutete. Die Wähler fühlten sich betrogen und verhalfen Zapatero zum Sieg. Dabei hatte die PP kaum Stimmen eingebüßt. Die Entscheidung führten nicht etwa Wechselwähler herbei, sondern Bürger, die sonst nie zu den Urnen gehen.
Genau hier setzt die Strategie der Grabenkämpfer an. Die PP hofft, ihre Klientel durch ständige Mobilisierung zusammenzuhalten. Wenn die Nichtwähler wieder zu Hause bleiben, könnte dies reichen. Die PSOE ihrerseits versucht durch die dauernd inszenierte Angst vor der Rechten, ebendiese Demobilisierung zu verhindern. In den Augen der Parteistrategen mag das Sinn machen. Für Spanien insgesamt jedoch ist es schädlich. Themen wie der Terrorismus, das Verhältnis Zentralstaat/Autonomie oder das Bildungssystem sind zu wichtig, um sie in Kampfabstimmungen durchs Parlament zu boxen. In staatspolitischen Zukunftsfragen können stabile, tragfähige und effiziente Lösungen nur durch einen breiten Konsens gefunden werden. REINER WANDLER