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Archiv-Artikel

RALPH BOLLMANN POLITIK VON OBEN Falsche Freunde

Arglos hatte ich mich über den künftigen schwulen Außenminister gefreut. Leser sahen darin eine Diffamierung. Halten sie Homosexualität etwa für eine Schwäche?

Natürlich können auch Schwule homophobe Ansichten vertreten. Vom Selbsthass unterschiedlicher Minderheiten zeugen viele Episoden der Weltgeschichte, und auch zahlenmäßig große Gruppen können den eigenen Interessen zuwiderhandeln. Beispielsweise haben sich Frauen in vielen Fällen nicht als Vorkämpferinnen weiblicher Emanzipation hervorgetan.

Mit dem Verweis auf meine sexuelle Orientierung kann ich mich also nicht herausreden, wenn mich Leser jetzt der Homophobie bezichtigen. Arglos hatte ich Guido Westerwelle als den „künftigen schwulen Außenminister“ bezeichnet, mit jener freudigen Erwartung, von der an dieser Stelle schon die Rede war.

Proteste gegen die positive Sicht auf einen FDP-Politiker hatte ich erwartet, doch die blieben aus. Stattdessen wurde ich gleich mehrfach bezichtigt, Westerwelle herabgewürdigt zu haben. „Schwach und intolerant“ sei der Hinweis auf seine sexuelle Identität, „beleidigend und diffamierend“. Wenn ich das Adjektiv „schwul“ verwende, könne ich auch Afroamerikaner wieder als „Neger“ bezeichnen. Ein Leser hielt es sogar für eine „bewusste Diffamierung“, dass ich Westerwelle und die Bundeskanzlerin zusammenfassend „ParteichefInnen“ nannte. Das große „I“ sei leicht zu überlesen.

Was soll an dem Hinweis auf die sexuelle Orientierung des FDP-Vorsitzenden „schwach“ sein – es sei denn, man hielte diese Orientierung selbst für eine Schwäche? Warum soll die Rede von „ParteichefInnen“ an der Geschlechtszugehörigkeit der mitgemeinten Herren etwas ändern – es sei denn, man betrachte einen Schwulen nicht als Mann?

Als beleidigend und diffamierend empfinde ich dagegen Sätze wie jenen, der in einer großen deutschen Tageszeitung über einen bedeutenden Autolobbyisten zu lesen war. „Er lebt allein, liebt Kunstausstellungen“, hieß es dort. Las man jemals über einen heterosexuell veranlagten Verbandsvertreter, er bewohne ein Eigenheim und interessiere sich für Fußball – wenn eigentlich gemeint war, er sei verheiratet und habe zwei Kinder?

Es gibt sie noch, solche Leute wie den Lobbyisten, der offenbar eine ähnliche Auffassung vertritt wie die Autoren der zitierten Leserbriefe. Der es als abträglich empfände, würde ihn ein Journalist als schwul bezeichnen. Der wahrheitswidrig behaupten würde, das Familienleben der Hetero-Kollegen sei ja auch nirgends ein Thema. Aber da macht er sich etwas vor.

Als die rot-grüne Regierung die Homo-Ehe auf den Weg brachte, suchte mir ein schwuler Christdemokrat zu erläutern, warum es für das neue Rechtsinstitut gar keinen Bedarf gebe. Einige Zeit später traf ich ihn wieder. Freudestrahlend berichtete er mir, dass der eigene Ministerpräsident dem Gesetz im Bundesrat zugestimmt habe. Genauso freudestrahlend, wie Guido Westerwelle neulich seinen Ehering in die Berliner Frühherbstsonne streckte – als er der taz erläuterte, wie die bayerische FDP die Türen der Standesämter für die Homo-Ehe geöffnet hat.

Der Autor leitet das Parlamentsbüro der taz. Foto: Archiv