RALF LEONHARD ÜBER DIE TAGUNG DES WORLD JEWISH CONGRESS IN BUDAPEST : Zeichen gegen Antisemiten
Es kommt selten vor, dass der World Jewish Congress (WJC) seine alle vier Jahre stattfindende Vollversammlung außerhalb von Jerusalem abhält. Dass am Sonntagabend das diesjährige Treffen in Budapest begann, ist nicht als Auszeichnung für Ungarn zu sehen, wo die drittgrößte jüdische Gemeinde der EU zu Hause ist, sondern als Mahnung. Premier Viktor Orbán und seine rechtsnationalistische Fidesz-Regierung sollen zur Ordnung gerufen werden. WJC-Präsident Ronald Lauder sieht Ungarn „auf einem gefährlichen Irrweg“.
Lauder erkennt in Orbán einen „Vordenker des ungarischen Nationalismus“, der oft dem rechten Rand nach dem Mund rede. Zwar ist von Orbán selbst keine antisemitische Äußerung bekannt. Doch er lässt ein gesellschaftliches Klima tolerieren, in dem Aggressionen gegen Juden – verbale wie physische – zunehmen.
Als hätte es eines Beweises dafür bedurft, marschierten die Glatzen der faschistischen Jobbik-Partei am Vorabend des jüdischen Kongresses auf, um der „Opfer des Bolschewismus und Zionismus“ zu gedenken. Die eigentlich verbotene paramilitärische „Ungarische Garde“ stand Spalier.
Viktor Orbán wollte den Spuk zwar verbieten lassen, wird er doch die Eröffnungsrede vor dem WJC halten. Allein, seine Gesten können nicht überzeugen. Schließlich werden mit seiner Billigung Blut-und-Boden-Schriftsteller in den Kanon der ungarischen Literatur gehoben, und der für den Holocaust mitverantwortliche Reichsverweser Miklos Horthy wird mit neuen Denkmälern geehrt.
Und Orbán selbst lässt keine Gelegenheit aus, sich als Verteidiger des christlichen Abendlandes zu inszenieren. Seinen Parteifreund, den Publizisten Zsolt Bayer, hat er aber noch nie getadelt, weil dieser immer wieder mit Schaum vor dem Mund gegen Roma und Juden hetzt.
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