RAINER SCHÄFER RADIKALE WEINE :
Simone Adams aus Ingelheim am Rhein hat Spätburgunder in eine kühle Lage am Schlossberg gepflanzt. Die Winzerkollegen waren sich schnell einig: Das könne nichts werden. Ein Irrtum, die Weine aus dieser Lage präsentieren sich frisch und feingliedrig.
Die Güte ihrer Weine gibt Simone Adams in Kaliber an, üblicherweise ein Maß für den Durchmesser von Projektilen. Ihr Weißburgunder bringt 9 Kaliber auf das Etikett, ihr bester Spätburgunder kann stolze 48 Kaliber vorweisen. Projektile gibt es auch in höheren Kalibern. Da Adams jedoch erst seit wenigen Jahren Weine erzeugt, will sie noch Luft nach oben lassen. Die außergewöhnliche Maßeinheit steht für sie für Durchschlagskraft. Sie verleiht damit aber auch ihrer Leidenschaft fürs Jagen Ausdruck. Schon mit 14 Jahren erwarb sie den Jagdschein, als einzige Frau unter einem Dutzend Männern. Nur ein Hobby der Winzerin, die auch im Gebirge klettert, einige 4000er hat sie schon bestiegen.
In Bergstiefeln geht Simone Adams auch am Ingelheimer Schlossberg durch ihre Reben. Deren Triebspitzen werden nicht gegipfelt, wie es gängige Praxis ist: „In den Spitzen ist ein Hormon enthalten, wenn ich sie abschneide, beeinflusse ich den Haushalt der Rebe“ – was zu Lasten der Harmonie im Wein gehe. Simone Adams bricht gerne Regeln, die sich ihr nicht erschließen. Ihr Weg zur Winzerin verlief alles andere als geradlinig: Nach dem Studium der Önologie und des Weinbaus in Geisenheim schloss Adams noch ein Studium der Gartenbauwissenschaft in München an. Danach schlug sie eine wissenschaftliche Laufbahn ein, mit einer Doktorarbeit über die Alterung von Weißwein. Selbst Weine zu erzeugen, war für einen späteren Lebensabschnitt vorgesehen. Dann aber musste sie vor fünf Jahren nach dem plötzlichen Tod ihres Vaters „Hals über Kopf“ das elterliche Weingut mit neun Hektar übernehmen.
Statt Theorie war nun Praxis gefragt. Seitdem verblüfft die 35-Jährige mit ihrer unorthodoxen Art. Bei ihrem Spätburgunder Kaliber 48 lässt sie die Stiele und Stengel der Trauben mitvergären, um eine andere Gerbstoffstruktur zu erhalten: „Es muss ja nicht immer Eiche sein“, sagt die Winzerin dazu. Kaliber 48 riecht nach Leder, feuchter Erde und Zedernholz, im Mund spielen reife Kirschnoten ein kontrastreiches Spiel mit präsenten Gerbstoffen, unterlegt von einer frischen Säure und pfeffrige Noten. Der archaische und puristische Spätburgunder kommt dem Original aus Burgund nahe. Kaliber 48 sollte man dekantieren oder noch ein paar Jahre reifen lassen.
■ Spätburgunder 2012 Kaliber 48, Weingut Simone Adams, 35 Euro, Bezug über www.adamswein.de