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Archiv-Artikel

RAINER SCHÄFER RADIKALE WEINE

Alle ziehen und zerren am Trollinger, an ihm dürfen alle ihr Mütchen kühlen. „Trollinger wird ständig madig gemacht“, klagt der schwäbische Winzer Jürgen Zipf. Man versteht seinen Kummer, wenn man weiß, wie er sich seit 15 Jahren um die schwäbischste aller Rebsorten bemüht. Zipf zählt zu den Winzern, die dem Trollinger eine Qualitätskur verordnet haben, er hegt ihn im nördlichen Württemberg in den Löwensteiner Bergen in der Steillage auf beinahe 400 Meter Höhe.

Zipf hat den Ertrag drastisch reduziert – auf ein Drittel der Menge, die sein Vater früher aus den Weinbergen geholt hat. Den Most lässt er auf der Maische vergären und baut ihn im großen Holzfass und im gebrauchten Barrique aus. Für den enormen Aufwand verlangt Zipf gerade mal 6,50 Euro. Mehr zu fordern sei schwierig, wegen des lädierten Rufs, unter dem der Trollinger leidet. Noch immer gilt er als farbloser Schwächling mit dem süßlichen Geschmack von Erdbeermarmelade. Es heißt, dass ein geübter Trinker an den württembergischen Stammtischen mühelos sechs Viertele der gehaltlosen Schwabenmilch wegschlotzen könne.

Zipfs Trollinger dagegen ist einer mit Anspruch. Er präsentiert in der Nase Fruchtnoten von der Sauerkirsche, am Gaumen zeigt er beachtliche Struktur und Frische, es ist ein trockener und animierender Wein, mit apartem Bittermandel-Finale. Jürgen Zipf will festhalten an der schwäbischen Ur-Rebe, das ist für ihn eine Charakterfrage: In keinem anderen Wein spiegele sich die schwäbische Befindlichkeit so sehr wie in einem seriös erzeugten Trollinger.

Trollinger Steillage 2012, Weingut Zipf, 6,50 Euro, Bezug über www.zipf.com