RAF-AUSSTELLUNG: ES GEHT UM SYMBOLE, NICHT UM SYMPATHISANTEN : Zwischen Historie und Hysterie
Es ist ein bisschen wie früher: Die Bild-Zeitung hetzt gegen die RAF und vor allem jene, die den linken Terrorismus verharmlosen, die so genannten Sympathisanten. Es geht um eine Ausstellung in Berlin über die RAF und einen Satz, der die Witwe von Detlev Rohwedder, den die RAF 1991 ermordete, empört hat. Dieser Satz lautet: „Welche Ideen, Ideale haben ihren Wert durch die Zeit behalten und können nicht als naiv abgetan werden?“
Das ist kein kluger Satz, aber auch kein Skandal. Er stammt aus einer frühen Phase der Konzeption, und er ist keineswegs charakteristisch für das Konzept. So töricht, die RAF ideologisch retten zu wollen, ist viele Jahre nach der Selbstauflösung der RAF niemand mehr, von ein paar ewig Gestrigen abgesehen, die geistig noch immer im Deutschen Herbst 1977 leben.
Die Bild-Zeitung, die eine gewisse Erfahrung auf diesem Gebiet hat, jagt mal wieder einen Gegner, den es nicht gibt. Den Typus des hin- und hergerissenen Sympathisanten, den Bild hier zur Strecke bringen will, gibt es schlicht nicht mehr. Insofern ist diese Affäre eher eine Bild-Affäre: ein Zeichen, wie schwer sich manche damit tun, von den Feinden von gestern verlassen zu werden. So hat der Versuch, einen differenzierten Blick auf die RAF zu unterbinden, eine infame Seite – aber auch eine nostalgische, einen Hauch von Wehmut. Die neue Frontlinie in Sachen RAF verläuft nicht mehr zwischen hysterischen RAF-Gegnern und RAF-Sympathisanten – das dürfte auch die Hinterbliebenen der Opfer beruhigen –, sondern zwischen der Popfraktion, die RAF-Embleme auf dem Unterhemd irgendwie todschick findet, und jenen, denen die Verwandlung von Geschichte in Modezeichen nicht geheuer ist. Die Ausstellung ist um ein Jahr verschoben worden – nicht wegen der Aufregung, sondern weil Exponate fehlen. Ihr dürfte der Trubel eher nutzen als schaden, sie ist zum Politikum geworden. Kann sein, dass einigen Austellungsmachern derzeit mulmig zumute ist, immerhin ist auch die Bundeszentrale für politische Bildung beteiligt. Das gibt der Ausstellung etwas Amtliches, damit ist sie auch empfänglich für politischen Druck.
Gleichwohl: Schlimmer, als zum Gegenstand aufgeregter Debatten zu werden, wäre für eine politische Ausstellung, wenn sie ganz und gar der rückwärts gewandten Betrachtung anheimfallen würde – nämlich so sehr, dass sie außer dem zeitgeschichtlichen Fachpublikum niemanden mehr interessiert. Diese kleine Affäre ist ein Test für den Zustand des öffentlichen Bewusstseins zwischen Historie und Hysterie. STEFAN REINECKE