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■ QuerspalteHinein in die Rikschas!

Was ist der ultimative neugeschaffene Arbeitsplatz in unserer Dienstleistungsgesellschaft? Richtig: der Sänftenträger. Man stelle sich vor: anstatt beim Ku'damm-Bummel 100 Mark für das H&M- Jacket zu vergeuden (verabschiedet sich ohnehin nach der ersten Wäsche), gönnen Sie sich lieber einen Bummel in der Sänfte. Für 100 Mark tragen Sie vier Arbeitslose glatt eine Stunde lang den Ku'damm rauf und runter. 25 Mark für jeden, kein schlechter Stundenlohn und schon wieder vier Arbeitsplätze gesichert. Wirtschaftsminister Rexrodt und Co dürften zufrieden sein. Müssen wir Deutschen auf dem dornenreichen Weg in die Dienstleistungsgesellschaft doch vor allem erst mal wieder dienen lernen.

In Berlin ist man fast schon soweit. Hier sind seit einigen Monaten immerhin Rikschas in den Straßen zu sehen. Diese Gefährte, die von den Indonesiern einstmals in völliger Verkennung der globalen Entwicklung in den Fluß gekippt wurden, aus Protest gegen die Kolonisatoren. 15.000 Rikschas. Wie voreilig! Die Indonesier hätten nur ein paar Dekaden warten müssen, bis sich der West-Kapitalismus in die Massenarbeitslosigkeit verabschiedet. Und dann ihre Kuli-Kutschen verscherbeln an uns, Second hand. Denn der Westen ist reif für die Rikscha. Allein schon wegen der Ökologie. Kein Benzingestank, kein Motorgedröhne. Die Arbeitslosen haben neue Jobs und bleiben fit an der frischen Luft. Wem das nicht paßt, der kann sich ja als Sozialhilfeempfänger nach Indonesien versetzen lassen.

Allerdings tut sich im Berliner Rikscha-Einsatz ein Geschäftshindernis auf, ein Fahrer (übrigens Amerikaner) hat es mir neulich erzählt: Die Geschäfte liefen schlecht, deutschen Kunden sei das Rikschafahren in Deutschland peinlich, klagte er (In Thailand natürlich nicht, da machen sie den Larry). Na, das ist doch die Solidarität von morgen: Nicht nur dienen, sich bedienen lassen! T-Shirts drucken: „Ich fahre Rikscha in Deutschland!“ Fördern Sie die Leichtlohngruppe im eigenen Land. Kann Solidarität bequemer sein? Barbara Dribbusch

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