■ Querspalte: Proletarier in die S-Klasse!
Schluß mit dem Gejammere über Massenarbeitslosigkeit und Verarmung in Deutschland. Alles Lüge! In Wirklichkeit fallen nämlich gerade die Klassenschranken, das gesellschaftliche Bündnis ist längst geschlossen. Es hat nur noch keiner gemerkt. Rund 200.000 Mark kostet heute die Einrichtung eines Arbeitsplatzes in der Autoindustrie. Das ist teurer als eine Karosse der Mercedes-S-Klasse mit changierendem Lack und recyclingfähigem Handschuhfach. Echter Luxus. Und damit sind wir auch schon beim Thema. Arbeit ist Luxus, auf den keiner verzichten will, und so finden die Klagen der Industrie bei Wirtschaftsminister Rexrodt ein offenes Ohr: Tausende von Jobs seien gefährdet durch die „Dienstwagenregelung“, befürchtet die Präsidentin des Autoindustrieverbandes VDA, Erika Emmerich. Bestellungen von Luxuskarossen werden storniert, Mercedes und BMW verrotten auf Halde.
Schuld daran ist eine Regelung, die erst seit dem 1. Januar gilt. Danach müssen Manager, die ihr steuerlich absetzbares Dienstgefährt auch privat nutzen, pro Monat ein Prozent vom Listenpreis dem Fiskus zuführen. Ein Prozent! Je teurer das Auto, desto schwerer lastet die Abgabe auf dem Leistungsträger. Schon beim einfachen E-Mercedes kann diese Steuer 300 Mark im Monat fressen. Kein Wunder, daß der kostenbewußte Manager inzwischen lieber auf bescheidenere Gefährte umsteigt. Das aber darf nicht sein.
Sogleich versprach Rexrodt der emsigen Emmerich, sich im Kabinett dafür einzusetzen, daß die unerhörte steuerliche Belastung wieder gestrichen wird. Schließlich weiß jeder seit der letzten Kanzlerrunde, daß die Abgaben runter müssen, damit es wieder aufwärtsgeht mit den Jobs. Noch ganz anders ließe sich die Nachfrage wieder ankurbeln: Jedem Facharbeiter sein Dienstgefährt! Tariflich festgeschrieben im Bündnis für Arbeit. Das rettet Jobs und spart Millionen Mark an Arbeitslosengeld. Schließlich hängt doch alles irgendwie mit allem zusammen. Barbara Dribbusch
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