■ Querspalte: Gold im Meckern
Zuerst die schlechte Nachricht. Bis jetzt, Sonntag 13 Uhr 23 MEZ, fehlt uns noch immer Gold. Zwar lag unsere 10- Meter-Schützin im Luftgewehr, die tapfere Petra Horneber, bis zum vorletzten Schuß klar vorne. Doch dann vergeigte sie. 0,5 Millimeter an der Goldmedaille vorbei. Nun die gute Nachricht. Die deutschen Sportfunktionäre sind in Topform. Lange haben wir uns gefragt, was ein Sportfunktionär eigentlich tut, wenn er nicht gerade im TV seine Unverzichtbarkeit unter Beweis stellt. Nun wissen wir es: Er beschwert sich.
Mit einer Miene, als wäre gerade der dritte Weltkrieg ausgebrochen, teilte Ulrich Feldhoff, Chef der deutschen Mission in Atlanta, mit: Den Deutschen ist unrecht geschehen. Ja, noch schrecklicher: Die Ordnung ist zusammengebrochen. Wir wurden, sagt Feldhoff, beim Einmarsch der Athleten „wie Vieh getrieben“. So mußten die deutschen Athleten die 800 Meter lange Strecke bis zum Stadion im Laufschritt zurücklegen. Das hatte man, gerade bei unseren amerikanischen Freunden, nicht erwartet. Das ist „eine Katastrophe“ (NOK-Chef Tröger).
Diese 800 Meter, so könnten unverständige Zeitgenossen einwenden, dürften für unsere Sportler so recht eigentlich keine unlösbare Aufgabe gewesen sein. Immerhin sind es ja durchtrainierte Olympioniken. Böse gesagt: Kann, wer an diesen 800 Metern scheitert, noch als Medaillenhoffnung gelten? Auch daß die kubanische Equipe seelenruhig 4 Minuten zu spät ins Stadion schlenderte, gibt zu denken. Die Deutschen (darunter Ringer und Gewichtheber) rannten in ihrer Panik, zu spät zu kommen, fünf Ordner glatt über den Haufen.
Aber lassen wir das. In schwerer Stunde gilt es zusammenzuhalten. Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur noch Funktionäre. Denn: Die eigentlichen Opfer waren Funktionäre, schwache, gebrechliche Personen. Schon naht Genugtuung. Der tapfere Walter Tröger hat angekündigt: „Ich werde mich bei Samaranch beschweren.“ Gold im Meckern, immerhin. Stefan Reinecke
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