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■ QuerspalteSpäte Siege der RAF

Widmen wir uns heute der Frage „Was ist los mit dem deutschen Mann?“. Der deutsche Mann war vormals Germane. Die ausführliche Antwort auf unsere Frage entnehmen Sie deshalb bitte der nächsten Titelgeschichte des Hamburger Wochenmagazins. Aus aktuellem Anlaß wollen wir uns hier nur einer besonderen Spezies des deutschen Mannes annehmen – des Spitzenmanagers. Was haben wir ihm getan, daß jetzt Hilmar Kopper die Deutsche-Bank-Noten hinschmeißt, Edzard Reuter die Nase mercedessternhagelvoll hat, der Thyssen-Chef womöglich die Chefetage mit der nächstliegenden Gefängniszelle tauscht? Was hat er, der deutsche Spitzenmanager, daß Großunternehmen ihn schneller wegkicken als Bundesligavereine ihre Trainer?

Ein Blick auf die Nachrichten mag bei der Antwort helfen. Er lenkt die Sicht auf komplexe, bisher ungeahnte Zusammenhänge: Am Dienstag hat eine frühere Aktivistin der RAF die Selbstauflösung der eigenen Organisation gefordert – jener Organisation, die den deutschen Spitzenmanagern den Kampf angesagt und Koppers Vorgänger in den Tod gebombt hatte. Am Mittwoch, einen Tag später, verkündet der Deutsche-Bank-Chef seine bevorstehende Demission. Zufall? Was, wenn auch Hilmar Kopper umtreibt, was RAF-Mitglied Birgit Hogefeld an der eigenen Gruppierung kritisiert: „Wir sind denen, die wir bekämpfen wollten, wohl immer ähnlicher geworden.“ Daß die Revolution ihre eigenen Kinder frißt, wissen wir. Warum soll es dem Kapitalismus anders gehen? Was, wenn Revolution und Kapitalismus sich symbiotisch so brauchen, daß im Zuge feindlicher Annäherung die Grenze verschwimmt? Schließlich gab es vergangene Woche noch eine andere Meldung: Die Staatsanwaltschaft (ehemals Klassenjustiz) hat die Manager mehrerer Entsorgungsunternehmen (ehemals Leistungsträger unserer Gesellschaft) als „Mitglieder einer kriminellen Vereinigung“ ins Gefängnis gesperrt. So erfüllt sich manche linksradikale Forderung heute ganz ohne Blutvergießen. Vera Gaserow

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