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■ QuerspalteGründet tausend Parteien

Vor einigen Jahren galt Christoph Schlingensief noch als ehrgeizig durchgedrehter Dilettantenfilmemacher, der bestenfalls von deutschen Trashfans ernstgenommen wurde. Dann wurde er Hausregisseur bei der Berliner Volksbühne, zog mit der Parole „Tötet Kohl“ durch die Gegend, beeindruckte in Hamburg mit einem sozial engagierten Spektakel, flimmerte bei RTL als Talkshowmaster ins Wohnzimmer, war Talkshowgast bei Alfred Biolek, wurde vom Spiegel zur Blattkritik geladen und gründete schließlich – passenderweise am Freitag, den 13. März – die „Partei der letzten Chance“ (PLC), die auch von Alfred Biolek und Harald Schmidt unterstützt wurde und sich für die Sache der Behinderten und Arbeitslosen stark machen wollte.

Der manisch-depressiv-dilettantische Künstler hatte den Gipfel des Ruhms nun erklommen. Träume wurden Wirklichkeit, und die Wirklichkeit war schön. Mein Namensvetter, der Staatsanwalt Dietrich Kuhlbrodt, hielt flammende Parteitagsreden. Schlingensief hatte die Medien mittels der Medien überwunden und war auch in den Tagesthemen. „Das Schlingensief-Denken geht mir wie eine Erleuchtung auf.“ (Berliner Zeitung) Nun verließ der Maniker seine Partei, die gerade mit den Satzungsdebatten beginnen wollte und gründete eine neue: die Schlingensiefpartei, der es um „Bewegung, Transparenz, Freundschaft und aktive Neutralität“ geht. Der konsequent individualanarchistische Akt enttäuschte dann doch viele, die schon auf die herbstliche Standortwahl spekuliert hatten und weitermachen wollen, entsprach allerdings durchaus den Slogans der PLC: „Beweise, daß es dich gibt“ und „Scheitern als Chance“. Neulich lag übrigens in meinem Briefkasten ein Zettelchen der ÖTV, deren Mitglied ich aus Gründen, die ich nicht mehr übersehe, immer noch bin. Der letzte, fettgedruckte Satz des Flugblatts, das sich mit der „Tarifrunde öffentlicher Dienst 1998“ beschäftigte, hatte etwas heiter Beschwingtes: „Deshalb war Scheitern jetzt unsere deutliche Antwort.“ Kuhlbrodt

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