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Archiv-Artikel

Quellcode im Internet veröffentlicht Microsoft war gestern

Bill Gates setzt Himmel und Hölle in Bewegung, um die Verantwortlichen zu fassen – dabei sollte er sie sofort als Manager einstellen!

Der Fall sei „sehr ernst“, meint der Konzern in Redmond und geht mit der Überheblichkeit einer Supermacht davon aus, dass nun mehr sämtliche Staatsanwälte dieser Welt nichts Wichtigeres zu tun hätten, als die Übeltäter zu finden. So weit ist es gekommen mit einer Branche, die einmal stolz darauf war, so erfinderisch und visionär zu sein, dass sie eigentlich schon in der Zukunft lebte. Ein paar Hacker haben es tatsächlich geschafft, Teile des Betriebssystems Windows in einem für Menschen lesbaren Code zu veröffentlichen. Welches Verbrechen! Nun können alle sehen, die selbst programmieren können – und nur sie –, dass der Gigant auch bloß mit Wasser gekocht hat. Nicht mal besonders heiß, wahrscheinlich, aber das ahnte man ja ohnehin.

Irgendein wirtschaftlicher Schaden ist der Firma Microsoft damit nicht entstanden. Die Hacker haben völlig veraltete Versionen des faktischen Standardsystems für PCs und mittelgroße Server geknackt. Sie sind längst aus den Regalen genommen. Die paar EDV-Abteilungen, die sich immer noch mit diesem Zeug herumschlagen, werden dankbar sein, dass sie jetzt wissen, woher der ständige Ärger kommt. Vielleicht können sie sich selbst helfen, vielleicht auch nicht. Alle anderen sind weiterhin auf die nicht ganz billige Hilfe aus Redmond angewiesen.

Aber ums Geld geht es Microsoft in diesem Fall ausnahmsweise nicht. Es geht ums Prinzip. Software, gerade ein Betriebssystem, soll auf ewige Zeiten das ausschließliche Privateigentum der Hersteller bleiben. Microsoft denkt inzwischen darüber nach, seine Programme gar nicht mehr zu verkaufen, sondern nur noch gegen astronomische Gebühren zu verleihen. Das einzige Geschäftsprinzip, das sich Bill Gates’ Leute vorstellen könne, ist die Knebelung und Entmündigung ihrer Kunden.

Es wird nicht an ein paar Hackern scheitern. Es ist insgesamt überholt. Denn besonders robuste, im harten Geschäftsalltag belastbare Software wird immer öfter mit offenen Quellcodes produziert – inzwischen sehr wohl auch in Versionen für Microsofts Windows.

Aber es geht nicht um Ideologie, sondern um die Praxis. „Open Source“ ist nicht mehr der Name für idealistische Spinner, sondern für die Rückversicherung der Anwender, die bei den nicht mehr auf die Gnade eines einzigen Konzerns angewiesen sein wollen. Dass sich sogar mit einem offenen Betriebssystem wie Linux ordentlich Geld verdienen lässt, beweisen Firmen wie Red Hat in den USA oder Suse in Deutschland jeden Tag. Das ist die Zukunft. Microsoft war gestern. NIKLAUS HABLÜTZEL