piwik no script img

QUERSPALTEDas Anti-Haase-Telefon

■ Bürgertelefon der CDU-Fraktion zum Thema BVG

In ihrer Rolle als Hilfssheriff der Verwaltung scheint sich die CDU-Fraktion zu gefallen. Nach dem »Anti-Bonzen-Telefon« und dem »Anti-Gewalt-Telefon« nahmen die Christdemokraten gestern Bevölkerungshinweise zur BVG entgegen. Nach wie vor bestimmen schließlich rote SED-Bonzen als Straßenbahnfahrer den Weg der Ostbürger, und noch immer beschmieren ausländische Jugendbanden ungestraft deutsche U-Bahn-Sitze mit »Nazis raus«-Kritzeleien.

Während BVG-Sprecher Schwenk auf die CDU-Aktion zugeknöpft reagierte und auf eigene, »repräsentative« Fahrgastbefragungen verwies, hatte die CDU-Fraktion ihre dritte Horchaktion stabsplanmäßig vorbereitet. Im Schichtdienst wurden jeweils vier Abgeordnete dazu verdonnert, zwei Stunden lang am BVG-Telefon auszuharren. Für einige an Sekretärinnen gewohnte Herren bedeutete das eine so große Zumutung, daß sie alsbald den Hörer daneben legten. Anderen tat es dagegen gut, zu hören, was das Volk bewegt. »An einem Telefon besteht Bedarf«, erkannte die Abgeordnete Sabine Toepfer und schlußfolgerte: »Die Informationspolitik der BVG ist schlecht.« Denn statt über Gewalttäter zu jammern, machten die Anrufer konkrete Vorschläge zur Streckenführung einzelner Buslinien. Da nicht alle CDU-Freunde mit dem Auto fahren, wurde die Regierungspartei auch mit Klagen über zu hohe Fahrpreise, überfüllte Bahnen und schlechte Taktfrequenzen überhäuft. Die Rechnung des dritten Bürgertelefons ging nicht auf: Ungewollt bekam die CDU all das zu hören, was ihr Verkehrssenator Herwig Haase als oberster BVG-Chef alles verbockt.

Apropos Haase. Um 13.30 Uhr wollte der Senator selbst ein Viertelstündchen am BVG-Telefon sitzen — doch kurz vor zwei war er immer noch nicht da. Bei den CDU-Verkehrsexperten sorgte das keineswegs für Beunruhigung: »Wahrscheinlich ist er mit seinem Wagen nur im Stau stecken geblieben.« Micha Schulze

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen