Putsch im westafrikanischen Niger: Obristen stürzen den Diktator
Nachdem Nigers Präsident Mamadou Tandja die Demokratie seines Landes ausgehebelt hat, fällt er einem Staatsstreich zum Opfer. Der Chef des Fußballverbandes gehört zur neuen Junta.
BERLIN taz | Noch am Donnerstagvormittag herrschte in Nigers Hauptstadt Niamey Normalität: Die neuen Botschafter von Mali und Tunesien akkreditierten sich, die regierungstreue Menschenrechtskommission wetterte auf einer Pressekonferenz gegen zivilgesellschaftliche Aktivisten. Dann legte sich die Mittagshitze über die Sahel-Hauptstadt und am Präsidentenpalast brachen Feuergefechte aus. Am Abend war Präsident Mamadou Tandja gestürzt, das Militär hatte die Macht übernommen. Und schon am Freitag war die Lage wieder so ruhig, dass die neue Junta die soeben dekretierte Ausgangssperre und Schließung der Landesgrenzen wieder aufheben konnte.
Im Staatsfernsehen erklärte Oberst Abdoul Karim Goukoye, ein "Oberster Rat zur Wiederherstellung der Demokratie" (CSRD) habe die Macht übernommen. "Wir, die Streitkräfte, haben beschlossen, unsere Verantwortung zu übernehmen, um die Ihnen bekannte angespannte politische Situation zu beenden", so der Oberst in der nächtlichen Ansprache. Es sei eine "patriotische Aktion, um Niger und seine Bevölkerung vor Armut, Lügen und Korruption zu retten".
Kaum jemand in Niger scheint darüber unglücklich zu sein. Der 71jährige Tandja, seit 1999 gewählter Präsident, hatte im vergangenen Jahr abrupt die demokratische Ordnung Nigers abgeschafft, als das Ende seiner zweiten legalen Amtszeit von fünf Jahren näher rückte. Per Auflösung von Verfassungsgericht und Parlament drückte er ein Referendum über eine neue Verfassung durch, die seine laufende Amtszeit um drei Jahre verlängert und ihm danach die unbegrenzte Wiederwahl ermöglicht. Seither erkennt ihn die Opposition nicht mehr an, Niger steht unter Sanktionen. Die letzte westafrikanische Vermittlungsrunde platzte am 16. Februar, letztes Wochenende gingen in Niamey wieder einmal Tausende gegen Tandja auf die Straße.
Nun hoffen Tandjas Gegner auf einen demokratischen Neuanfang. Marou Amadou, Präsident des Oppositionsbündnisses Fusad (Vereinigte Front zur Rettung der demokratischen Errungenschaften), sagte, er sei "erleichtert", und erklärte: "Wir hoffen, dass es diesmal gut geht und wir rufen alle Bürger auf, sich die Hände zu geben, um eine glaubwürdige Demokratie aufzubauen". Sogar Führer von Tandjas Regierungspartei sagten, sie seien "nicht überrascht". Tandja wird nun 20 Kilometer außerhalb der Hauptstadt in der Militärgarnison Tondibia festgehalten.
Angeführt wurde der Straatsstreich von der Präsidialgarde, die auch Panzerfahrzeuge und Hubschrauber einsetzte. Im französischen Auslandsrundfunk RFI berichtete ein nigrischer Journalist, Soldaten hätten im Präsidentenpalast eine Kabinettssitzung unter Vorsitz des Staatschefs gestürmt, während von außen mit schwerer Artillerie geschossen wurde. Die Soldaten hätten Tandja mitgenommen und die Minister erstmal eingeschlossen. Bei den Kämpfen gab es mindestens drei Tote und zehn Verletzte.
Angesichts der Kämpfe verschanzten sich der Chef der bulgarischen Antiterrorpolizei mit neun seiner Soldaten und eine Gruppe belgischer Offiziere, die gerade eine Deportation illegaler Migranten aus Europa nach Niger durchgeführt hatten, in ihrem Hotel. Bulgariens Regierung verhandelte gestern mit Nigers Junta über ihre Ausreise.
Drei hohe Militärs gelten jetzt als Nigers neue starke Männer. Major Salou Djibo, Juntapräsident, war bisher Truppenkommandant der Hauptstadt und hat als Blauhelmsoldat im Kongo und in der Elfenbeinküste gedient. Abdoulaye Amadou Harouna, Anführer des Sturms auf den Präsidentenpalast, ist nigrischer Kommandant in der ständigen Eingreiftruppe der Regionalorganisation Ecowas (Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft). Am bekanntesten unter den Putschisten ist Oberst Djibril Hamidou, Präsident von Nigers Fußballverband, im Volk "Oberst Pelé" genannt.
"Pelé" und Harouna waren beide schon an Nigers letztem Putsch 1999 beteiligt, der die damalige Militärdiktatur beendete und freie Wahlen einleitete. Die brachten Tandja, der schon früher Niger als Diktator regiert hatte, zurück an die Macht. Nun haben seine damaligen Steigbügelhalter ihn wieder entfernt.
Kritik an Putsch, aber Niger hat viele Vorbilder
Zum Putsch-Ritual gehört auch folgendes: Kaum hatten Nigers Militärs die Macht ergriffen, hob die Afrikanische Union (AU) mahnend den Zeigefinger. AU-Kommissionschef Jean Ping "verurteilt die gewaltsame Machtergreifung in Niger und "fordert eine rasche Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung", hieß es am Freitag.
Die Qualität einer Regierung in Afrika misst sich nicht einfach daran, ob ihre Führer Zivil tragen. Gerade in Westafrika tritt immer wieder die Armee als Retter auf, wenn ein gewählter Präsident seinen Staat aushebelt. Das Militär sieht sich dann als Garant der "republikanischen Institutionen".
So stürzte 2005 in Mauretanien das Militär den Langzeitpräsidenten Maaouiya Ould Taya. In Guinea ergriff zu Weihnachten 2008 das Militär die Macht, als Diktator Lansana Conté starb. Diese Putsche weckten große Hoffnungen. Die Vorbilder: der Sturz von Malis Diktator Moussa Traoré während eines Volksaufstandes 1991 und die Demokratisierung Nigerias nach dem Tod von Diktator Sani Abacha 1998.
Doch Guineas Junta regierte noch brutaler als Conté; Juntachef Dadis Camara wurde per Attentat wieder entmachtet. Mauretaniens Militärs organisierten zwar freie Wahlen, setzten aber deren Gewinner bald wieder ab.
Beide Länder wurden dann Fälle für internationale Krisenvermittler. Bei Niger ist das aber ohnehin schon der Fall.
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