■ Prêt-à-porter: Paris erwartet die Modeschauen
Gestern haben in Paris die Prêt-à-porter-Schauen für den nächsten Winter begonnen, aber die französische Presse hat im Augenblick nicht den geringsten Sinn für Kleider. Zu groß ist das Aufsehen, das der Mord an dem 16jährigen Abdeladim Gharbiche erregt hat. Abdeladim war in dem Pariser Vorort Fleury-Merogis von dem 17jährigen Sébastien erstochen worden, nachdem seine Freundin Véronique, 18, ihn zu der Tat angestiftet hatte. Obwohl schon eine Woche zurückliegend, sind die Zeitungen voll davon. Am meisten fasziniert die Medien das „Amerikanische“ an der Sache: Es gibt praktisch kein Motiv für den Mord.
Sébastien und Abdeladim hatten sich vor einiger Zeit geprügelt. Sébastien schwor Rache und setzte Abdeladim ganz oben auf eine „Todesliste“. Seine Freundin Véronique, deren Vater den amerikanischen Westen liebt und in der Nähe von Paris Wölfe züchtet, entwarf daraufhin ein regelrechtes Drehbuch für den Mord: Sie sprach Abdeladim auf der Straße an und lockte ihn zu sich nach Hause auf ihr Zimmer. Die beiden hatten sich bereits ausgezogen, da stürzte Sébastien, der sich wie verabredet in Véroniques Zimmer versteckt hatte, aus dem Dunkeln hervor und tötete Abdeladim mit mehr als vierzig Messerstichen. Véronique erklärte gegenüber der Presse später, Oliver Stones „Natural Born Killers“ habe sie zu ihrem „Drehbuch“ inspiriert. Im Gegensatz zu ihren amerikanischen Filmvorbildern haben die beiden Täter den Eltern Abdeladims inzwischen erklärt, daß es ihnen leid tue.
Frankreich ist wirtschaftlich schwer angeschlagen, wie die Streiks im Winter vor Augen geführt haben. Auch die großen Modehäuser bekommen die Krise zu spüren. Und was passiert? Es werden immer mehr!
Die alten Modehäuser mit den großen Namen haben sich junge Designer herangeholt, die nicht darauf verzichten wollen, daneben auch Kollektionen unter ihrem eigenen Namen vorzustellen. Dazu gehören John Galliano, der seine erste Prêt-à-porter-Kollektion für Givenchy vorführt, Ocimar Versolato, der 35jährige neue Chefdesigner von Lanvin, und Frédéric Molenac, der neue Chefdesigner von Grès. Karl Lagerfeld ist wie immer mit drei Kollektionen dabei: Seiner eigenen, der für Chloé und der für Chanel. Und wer tanzt da wieder aus der Reihe? Rei Kawakubo. Die Chefin von Comme des Garçons hatte diesmal „einfach keine Lust“. Toll, aber schade.
Insgesamt sind 88 Modenschauen bei der Chambre syndicale angemeldet, und 27 weitere Schauen laufen noch außer der Reihe. Die taz wird wie üblich täglich berichten. Leider meiden inzwischen auch viele große Designer das Caroussel im Louvre. Es ist ja wahr – die Säle haben soviel Atmosphäre wie ein Kongreßzentrum. Aber für die JournalistInnen bedeutet es halt noch mehr Lauferei. Heute morgen kann mich das allerdings überhaupt nicht schrecken: Das Wetter ist wunderbar, ein Vorrat an Pflastern angelegt, und die Brille habe ich auch eingepackt. Es kann losgehen. À demain! Anja Seeliger
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