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Prozess gegen Ex-Militärchef Ratko MladicEs soll nicht wie bei Milosevic enden

Rein juristisch starb Serbiens Ex-Präsident Slobodan Milosevic 2006 trotz Völkermord-Anklage als unschuldiger Mann. Das soll sich im Verfahren gegen Ratko Mladic nicht wiederholen.

Trauer in Srebrenica während eines Massenbegräbnisses im Juli 2011. Bild: reuters

DEN HAAG dpa | Wegen der Gefahr einer raschen Verschlechterung der Gesundheit von Ratko Mladic soll der Völkermord-Prozess gegen den ehemaligen Militärchef der bosnischen Serben beschleunigt werden. Dafür beantragte die Staatsanwaltschaft beim Kriegsverbrecher-Tribunal für das frühere Jugoslawien in Den Haag am Mittwoch eine Aufspaltung des Verfahrens auf zwei aufeinanderfolgende Prozesse.

Mladic soll demnach zuerst wegen Völkermords in Srebrenica zur Rechenschaft gezogen werden und erst in einem möglichen weiteren Prozess wegen der anderen ihm zur Last gelegten Kriegsverbrechen, darunter die Belagerung von Sarajevo. Die Staatsanwaltschaft wolle unbedingt dafür sorgen, dass "die Opfer Gerechtigkeit erfahren", heißt es in dem vom Chefankläger Serge Brammertz eingebrachten Antrag. Dabei sei auch die Notwendigkeit berücksichtigt worden, "für den Fall einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes von Mladic zu planen".

Der 69-jährige Mladic war im Mai nach 16 Jahren auf der Flucht in Serbien verhaftet und nach Den Haag ausgeliefert worden. Von Anfang an gab es Gerüchte, wonach er wegen schwerer Krankheiten nicht mehr lange zu leben habe. "Ich bin ein schwer kranker Mann", sagte Mladic mit belegter Stimme, als er am 3. Juni erstmals vor dem UN-Gerichtshof für Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien erschien.

Schon ein erster Schuldspruch wäre die Höchststrafe

Der ebenfalls in Den Haag wegen Völkermordes in Srebrenica angeklagte jugoslawische Ex-Staatschef Slobodan Milosevic war im März 2006 im Alter von 64 Jahren in der Untersuchungshaft des UN-Tribunals gestorben. Sein Prozess hatte mehr als vier Jahre zuvor begonnen. Beobachter hatten kritisiert, die Staatsanwaltschaft habe die Anklage überfrachtet, statt sich auf einige der schwersten Vorwürfe zu konzentrieren, die allein schon für eine Verurteilung zur Höchststrafe - lebenslange Haft - ausgereicht hätten.

Ähnlich wie seinerzeit bei Milosevic sowie bei dem seit 2008 in Haager UN-Untersuchungshaft befindlichen einstigen Anführer der bosnischen Serben Radovan Karadzic würde bei Mladic allein schon ein Schuldspruch im Falle des Völkermords in Srebrenica für die Höchststrafe ausreichen. Dort hatten im Sommer 1995 Truppen unter dem Kommando von Mladic bis zu 8000 bosnisch-muslimische Männer und männliche Jugendliche umgebracht.

Die Massaker in Srebrenica wurden von den UN als Völkermord eingestuft. Während der 43-monatigen Belagerung Sarajevos durch Mladics Truppen wurden etwa 10 000 Menschen getötet - viele von Scharfschützen, die selbst auf Frauen und Kinder schossen. Die bisherige Anklageschrift gegen Mladic, die nun für zwei Prozesse aufgeteilt werden soll, umfasste elf größere Fälle von Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit während des Bosnienkrieges 1992-95, dem etwa 100 000 Menschen zum Opfer fielen.

Die Anzahl der Vorwürfe soll nach den Vorstellungen der Staatsanwaltschaft insgesamt nicht reduziert werden. Die Aufteilung auf zwei Verfahren sei jedoch unter den gegebenen Umständen "klug und praktisch". Dadurch könnte die Beweisführung im ersten Prozess in etwa einem Jahr beginnen.

Mladic hatte die Anklage bei seinem ersten Erscheinen vor dem Tribunal als "abscheuliche Vorwürfe" und "ungeheuerliche Worte" bezeichnet. Zur Schuldfrage lehnte er eine Stellungnahme ab. Das Gericht nahm deshalb, wie üblich in solchen Fällen, für den Angeklagten ein Plädoyer auf unschuldig zu Protokoll.

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