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Proteste in Bosnien„Hooligans“ aus New York

Überall in Bosnien solidarisieren sich Bürger mit den Forderungen der Demonstranten von Tuzla. Die Diaspora mischt über soziale Netzwerke mit.

Feuer vor einem Regierungsgebäude in Tuzla. Bild: reuters

BERLIN taz | Das Gebäude der Stadtverwaltung in Tuzla rauchte noch, als eine „Informelle Versammlung der Demonstranten“ in der zentralbosnischen Stadt am vergangenen Freitagabend ihre Forderungen verkündete. Die erste: Verwaltung, Bürger und Polizei sollen die Ordnung wiederherstellen, um eine „Kriminalisierung, Instrumentalisierung oder Manipulation“ der Proteste zu verhindern.

Zweitens wird die Bildung einer Übergangsregierung aus nicht parteigebundenen Fachleuten gefordert, die Stadt und Kanton bis zu den nächsten Wahlen verwalten soll. Die Privatisierung der Firmen, deren entlassene Belegschaften die Proteste begonnen hatten, soll auf ihrer Rechtmäßigkeit hin überprüft – und gegebenenfalls rückgängig gemacht werden.

Die Gehälter von Regierungsmitarbeitern sollen denen in der Wirtschaft angeglichen und Sonderzahlungen an Politiker eingestellt werden. Und: Mandatsträger, die zurückgetreten sind oder abgewählt werden, kriegen kein Geld mehr.

Dass diese Ziele grundsätzlich der gemeinsame Nenner der aktuellen Proteste in der Föderation Bosnien und Herzegowina sind, zeigt nicht nur ihre Übernahme durch Protestierende in anderen Teilen der Föderation. Vielleicht noch wichtiger ist, dass sie auch von Bürgern im serbisch dominierten Landesteil übernommen werden, etwa in Prijedor oder Banja Luka.

Protest im Netz

Auch Luka aus dem kroatischen Split solidarisiert sich via Facebook. Bild: Luka Duplančić

Für die schnelle Verbreitung der Nachrichten vom Protest sorgt das Internet. Die gleich zu Beginn der Demos in Tuzla eingerichtete Facebook-Seite „Podrzimo Narod Tuzle“ (Wir unterstützen das Volk von Tuzla) hatte am Sonntagnachmittag bereits über 64.500 User mit einem „Gefällt mir“ markiert.

Die Behauptung lokaler Politiker, bei den Teilnehmern der Proteste in den bosnischen Städten handle es sich um „Hooligans“, führte zur Kampagne „Auch ich bin ein Hooligan“, die auf Facebook und Twitter unter den Hashtags #ijasamhuligan und #protesti läuft. Die Idee dazu kam von einem Bosnier, der in New York lebt.

Aufgrund von Krieg und Verarmung hat Bosnien einen große „Diaspora“ weltweit, die die Proteste zuhause über soziale Medien verfolgt und unterstützt. Am Samstag trafen sich Berliner Bosnier vor der Botschaft des Landes in Pankow. Und gestern probte der von österreichischen Exjugoslawen gegründete „Chor 29. November“ öffentlich Revolutionslieder vor der bosnischen Botschaft in Wien.

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2 Kommentare

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  • vielleicht sollte ich nach Bosnien gehen um endlich mal zu sehen was Bürgerprotest alles so bewegen kann, ich habe jetzt brav mein Gefällt Mir-Häkchen bei Angie gemacht, und da es mir hier ja genau wie den Bosniern geht (komm ruhig auf ein Gespräch rum, ich zeig´s dir), ist es doch viel sinnvoller was zu unternehmen. Hier wollen (nein, das ist unfair, sie sollen und merken es nicht, das sie wirtschaftspolitisch gelenkt werden) die Jugendlichen anscheinend ja nur noch Kinder kriegen und brav ihrem Beruf nachgehen. Also Abgang aus dem Wirtschaftswunderland (naja, zumindest für ein paar).

  • J
    Jovanka

    Auf der Kundgebung trafen sich Berliner aus dem ganzen ehemaligen Jugoslawien und auch welche, die nicht von dort sind. Weitere Infos kann man hier finden: solidarnost.blogsport.eu und https://www.facebook.com/kampagne.solidarnost