■ Protestaktionen in Tegel: Weggeschlossen
Es sieht beinahe so aus, als hätten die Abschiebehäftlinge in der Kruppstraße den Gefangenen im Haus III des Männerknastes Tegel als Vorbild für ihre Protestaktionen Pate gestanden. Die Hitze, das ist spätestens seit Anfang der Woche klar, hat das Faß nur zum Überlaufen gebracht. Das wird auch Anstaltsleiter Klaus Lange- Lehngut begreifen müssen, der gestern noch darauf bestand, die Anstalt habe die durch die Hitze entstandenen Probleme doch schon gelöst. Den Insassen des Hauses III – vorausgesetzt, sie meinen es mit ihrem Hungerstreik ernst – geht es auch um mehr als um Kühlschränke, Duschgelegenheiten, „Bumszellen“ und Einzelfernsehgenehmigungen. Mit ihren Forderungen nach einer Angleichung der Freistundenregelungen und Zellenaufschlußzeiten stellen sie das ganze Drogen-Differenzierungskonzept in Tegel in Frage. Und dies zu Recht. Lange-Lehngut vertritt zwar, das Konzept habe „gute Erfolge“ gebracht, weil die Gefangenen durch den längeren Einschluß weniger Gelegenheit hätten, mit Drogen zu handeln und sich beim Schuldeneintreiben zusammenzuschlagen. Was hier vollmundig als Konzept verkauft wird, stellt sich für viele Gefangene in den Altbauten jedoch ganz einfach dar: Sie werden schlicht weggeschlossen, egal ob sie Junkies sind oder nicht. Wer Stoff haben will, bekommt ihn, da helfen auch längere Einschlußzeiten nichts. Bis zu hundert drogenabhängige Insassen teilen sich eine Spritze, weil sich Justizsenatorin Lore Maria Peschel-Gutzeit (SPD) trotz des hohen HIV-Risikos weigert, Spritzenautomaten aufzustellen. Aber das Volleyballspiel wird „aus Sorgfaltsgründen“ abgebrochen, damit bei der Hitze bloß keiner umkippt. Kern des Übels ist die völlig verfehlte Drogenpolitik, für die der gesamte Senat die Verantwortung trägt. Plutonia Plarre
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